Objekt des Monats – seit März 2021 im Schaufenster des Vonderau Museum

Das Vonderau Museum Fulda präsentiert ab März 2021 sein „Objekt des Monats“ im Schaufenster des Museumseingangs am Jesuitenplatz 2.

Mit dieser Reihe soll ein Einblick in die gesamte Bandbreite der Sammlungen zu Kultur, Natur und Kunst des Vonderau Museums und der Historischen Räume im Stadtschloss gezeigt werden. Die monatlich wechselnden Objekte werden mit kurzen Texten der Mitarbeiter:innen aus den einzelnen Abteilungen vorgestellt.

Objekt des Monats April 2024

Schneekopfkugel

Mineraliensammlung Pfaff, Inv. Nr. 50a-134

 

Schneekopfkugeln erhielten ihren Namen nach den ersten Funden um den Schneekopf bei Gehlberg im Thüringer Wald.

 

Das Ausgangsgestein für die Bildung der Schneekopfkugeln ist Rhyolith. Rhyolith ist ein vulkanisches Gestein, das hauptsächlich aus den Mineralen Quarz, Feldspat und Glimmer besteht.

 

Rhyolith entsteht an oder nahe der Oberfläche und kühlt dort relativ schnell ab. So bildet das Gestein eine sehr feinkörnige graue, braune oder rötliche Grundmasse (Matrix). In der Matrix können auch größere Minerale aus hellem Quarz und aus Feldspat als sogenannte Einsprenglinge „schwimmen“ (porphyrisches Gefüge). Der Rhyolith der Schneekopfkugeln entstand während des Unteren Rotliegend vor ca. 285 bis 300 Millionen Jahren.


Die Hohlräume der Schneekopfkugeln entstanden im Randbereich des Rhyolith-Körpers bei der Entgasung der Schmelze. Gelegentlich sind die Hohlräume durch Schrumpfungsrisse sternförmig ausgeprägt.


In die Hohlräume drangen später 70°C bis 200°C heiße Siliciumdioxid-(SiO2) reiche Lösungen. In den Hohlräumen bildeten sich dadurch Minerale wie Quarz, Amethyst, Achat und Rauchquarz (Variationen von Quarz), aber auch Baryt, Fluorit, Calcit und Hämatit können vorkommen. Die Hohlräume können teilweise (Geode) oder ganz (Mandel) mit den Mineralen gefüllt sein.


Diese Schneekopfkugel wurde am Seebachfelsen bei Friedrichsroda im Thüringer Wald gefunden. Der Hohlraum ist hier von Achat umrandet. Der gebänderte Achat erhielt seine braune bis rötliche Farbe durch Eisenoxid und Eisenhydroxid. Auf dem Achat ist Quarz aufgewachsen.


Diese Schneekopfkugel ist nur eine von etwa 350 Stück aus der Mineraliensammlung Pfaff.


Eine Reihe weiterer Minerale und Gesteine aus der Sammlung Pfaff werden in der Sonderausstellung „Steinreich – Minerale und Gesteine im Alltag“ präsentiert.


Die Ausstellung wird bis zum 16. Juni 2024 verlängert.

Archiv

Objekt des Monats März 2024

Bouke de Vries (geb. in Utrecht, Niederlande)

Delfter Gedächtnisgefäß

aus der Serie Delft Memory Vessel, 2022/23

Delfter Fayence (um 1750), Glas, Gold; Inv. Nr.: VM 2023/14

 

Die Delft Memory Vessels, die „Delfter Gedächtnisgefäße“ des niederländischen Künstlers Bouke de Vries‘ bestehen aus Scherben von asiatischem, europäischem und insbesondere Delfter Steingut und Porzellan des 17., 18. und 19. Jahrhunderts in gläsernen Urnen, Ingwertöpfen, Krügen und Vasen. Fayencen, insbesondere niederländische der Delfter Manufaktur mit der kobaltblauen Bemalung, sind seit Jahrhunderten begehrte, jedoch auch sehr empfindliche Sammelobjekte.


Diese Zerbrechlichkeit führt Bouke de Vries mit seinem zeitgenössischen Werk vor Augen. Teilweise sind die in einer Deckelvase aus Glas gesammelten Scherben Delfter Fayence mit der traditionellen japanischen Reparaturmethode für Keramik, Kintsugi, wieder zusammengesetzt. Das dabei in der Klebung verwendete feinste Pulvergold betont die Bruchstelle, verleiht den Objekten eine ganz eigene Charakteristik und macht sie, obwohl beschädigt, noch wertvoller. So sind die „Gedächtnisgefäße“ de Vries‘, der auch ausgebildeter Keramik-Restaurator ist, „angefüllt“ mit vielen Jahrhunderten Keramikkunst und zelebrieren den neuen Status des Originalobjekts, indem Mängel und Schäden vom Künstler hervorgehoben und Auffassungen von Perfektion und Imperfektion in Frage gestellt werden.


Ab April wird das Delft Memory Vessel im sogenannten China-Kabinett in den Historischen Räumen des Fuldaer Stadtschlosses zu sehen sein. Dort befinden sich chinesische Keramik-Teller und –vasen sowie Fayencen mit blauer Bemalung wie sie auch einst die Fuldaer Fürstäbte und –bischöfe als Geschenke erhielten oder selbst sammelten, wenn es sich auch hier nach derzeitigem Kenntnisstand nicht um die Originale handelt. Das Delft Memory Vessel wird als zeitgenössische Intervention wie bereits in ähnlicher Form in der Sonderausstellung „Design & Dynastie. 250 Jahre Hofleben Oranien-Nassau“ im Sommer 2022 im Fuldaer Stadtschloss in diesem Raum wieder Bezug auf diese Objekte nehmen und als Reminiszenz an die bedeutende Fuldaer Keramik-Produktion der Fayence- und späteren Porzellanmanufaktur fungieren, deren Erzeugnisse, trotz aller Zerbrechlichkeit, mitunter mit Sprüngen, Fehlstellen und Klebungen, aufgrund ihres hohen Wertes glücklicherweise in großer Zahl erhalten geblieben sind.


Objekt des Monats Februar 2024

Prinz Törtchen I. von Fulda

(geb. 1911 in Fulda – gest.1980 ebenda)

 

Mit bürgerlichem Namen Otto Thiele war er 1934 der erste Prinz der wiedergegründeten Fuldaer Karneval Gesellschaft (FKG) und Besitzer des 1904 gegründeten Café Thiele.


An einem Abend im Januar lauschte hier ein Stammtisch den Erzählungen von Berufsschuldirektor August Feldmann, der anschaulich über die Foaset in Foll vor dem Ersten Weltkrieg berichtete.


Seine Aufforderung, diese Tradition neu zu beleben, fand spontane Zustimmung. Alle Anwesenden erhielten ein Amt mit klangvollem Titel: August Feldmann wurde Präsident und der Hausherr, Bäcker- und Konditormeister Otto Thiele, ernannte man zu Prinz Törtchen I. von Foll.


Von 1936 bis 1939 übernahm Otto Thiele das Präsidentenamt von August Feldmann. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges entwickelte sich in Fulda eine lebhafte Fastnachtskultur mit zahlreichen Traditionsvereinen, denen ausnahmslos Bäcker- und Konditormeister vorstanden. Dieser Umstand verweist auf die alte Tradition der Fastnacht in Fulda, wo bereits im Mittelalter vor allem Mitglieder der Fleischer- und Bäckerzünfte das närrische Treiben maßgeblich beeinflusst und mitgestaltet haben.


Prinz Törtchen I. führte Fuldas Narrenschar durch eine glanzvolle Kampagne, die am 11.11.1934 im Hotel Kurfürst eröffnet wurde und von zahlreichen Höhepunkten gekrönt war. Die erste Fremdensitzung fand an einem Donnerstag statt, doch ungeachtet dieser Tatsache war der Stadtsaal bis auf den letzten Platz gefüllt. Das „Amtliche Kreisblatt“ forderte daher, man solle „das begonnene Werk planmäßig weiterführen“.


Dieser Aufforderung getreu feiert die 1934 im Café Thiele wieder gegründete FKG in diesem Jahr ihr 90jähriges Jubiläum.


Objekt des Monats Januar 2024

Kräftig zubeißen – eine Fuldaer Zahnprothese

Inventar-Nummer: Vonderau Museum I 2023/10
Zahnärztliche Beurteilung der Prothese: Dr. med. dent. Joachim Lomb

 

Karies, Entzündungen, Fehlstellungen - seit seiner Existenz kämpft der Mensch mit Zahnproblemen. Bereits der Neandertaler litt unter Karies. Aus dem Neolithikum (5.500 bis 2.200 v. Chr.) sind erste Versuche von Zahnbehandlungen bekannt.


Die Etrusker (800 bis 40 v. Chr.) gelten als Erfinder der Zahnprothesen, der wohl elegantesten Art des Zahnersatzes. Die ersten Prothesen bestanden aus künstlich hergestellten Zähnen, die mit Draht an den eigenen noch vorhandenen Zähnen befestigt wurden. Diese Methode gab es bis ins 17./18. Jahrhundert hinein. Die künstlichen Zähne waren häufig aus Elfenbein, Knochen oder Holz gefertigt, reiche Menschen konnten sich auch Zähne aus Porzellan oder Silber leisten. Nicht unüblich war auch die Wiederverwendung menschlicher Zähne – entweder der eigenen oder gar derjenigen von Toten.


Die hier gezeigte Prothese besteht aus Hartkautschuk und wurde im Jahr 2023 in einem Gewölbekeller im Fuldaer Stadtgebiet gefunden. Prothesen dieser Art wurden Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals verwendet und Mitte des 20. Jahrhunderts von Prothesen aus Kunststoff abgelöst. Dieses Exemplar war seinem Besitzer oder seiner Besitzerin lieb und teuer: Nach einer nicht unerheblichen Beschädigung an der Basis aus rotem Kautschuk sind Ausbesserungen deutlich erkennbar.


Objekt des Monats Dezember 2023

Weihnachtsbaumkerzen der Kerzenmanufaktur „Eika“

In Fulda gab es aufgrund der kirchlichen Liturgie bereits im Mittelalter einen großen Bedarf an Kerzen. Kleine Handwerksbetriebe stellten nach kirchlichem Gebot Kerzen aus Bienenwachs her. Im 19. Jahrhundert ermöglichte die Einführung von Paraffin und Stearin eine weitaus preisgünstigere industrielle Herstellung. In Fulda gab es aufgrund der kirchlichen Liturgie bereits im Mittelalter einen großen Bedarf an Kerzen. Kleine Handwerksbetriebe stellten nach kirchlichem Gebot Kerzen aus Bienenwachs her. Im 19. Jahrhundert ermöglichte die Einführung von Paraffin und Stearin eine weitaus preisgünstigere industrielle Herstellung.

 

Die Kerzenmanufaktur „Eika“ wurde 1824 von dem Lichterziehermeister Franz Berta gegründet, damals noch unter dem Namen „Berta“. Er war einer der ersten Hersteller, der die neuentdeckten Rohstoffe zur industriellen Produktion von Kerzen nutzte. 1889 stieg Max Eickenscheidt als Teilhaber in das Unternehmen mit ein, 1921 folgte die Trennung. Es bildeten sich die Firmen „Berta Wachswarenfabrik Robert Berta“ und die „Fuldaer Wachswerke Eickenscheidt“, ab 1935 nur noch „Eicka“ genannt. Das Unternehmen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg an den Öl- und Fetthändler Leo Frank verkauft, dieser vereinfachte den Namen zu „Eika“.

Nach jahrelanger Forschung plante die Kerzenfabrik das immer teurer werdende Paraffin durch nachhaltigere Rohstoffe wie Kokosfett und Palmöl zu ersetzen, allerdings stiegen deren Preise bald erheblich an. Als Folge musste EIKA Anfang 2008 Insolvenz anmelden, doch es wurde ein Schweizer Investor gefunden, der die Produktion fortsetzte. Trotz schwarzer Zahlen war die Firma 2012 gezwungen, erneut Insolvenz anzumelden, da unerwartete Rückzahlungen aufkamen. Die EIKA Kerzenmanufaktur wurde 2013 durch die „Blosius Deutschland GmbH“ übernommen.

Der Fuldaer Kerzenhersteller war eines der größten Unternehmen Europas in dieser Branche.

Weihnachtsbaumkerzen, wie diese von EIKA, lassen sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Trotz der heute meist verwendeten Lichterketten, kommt es immer wieder zu Zimmer- und Wohnungsbränden, da brennende Kerzen nicht beaufsichtigt werden. Schon im Spätmittelalter wurden Weihnachtsbäume aufgestellt. Erste Formen des Christbaumschmuckes waren Äpfel und Nüsse, die sind über die Jahrhunderte stark abwandelten. Abgelöst wurden sie von Christbaumkugeln, die im 19. Jahrhundert in Deutschland erfunden wurden. Neben den bekannten Glaskugeln werden die Bäume heutzutage meist mit Kerzen, Lichterketten und Lametta geschmückt.

Das Team des Vonderau Museums wünscht Ihnen im Namen der Stadt Fulda eine schöne Advents- und Weihnachtszeit und alles Gute für das neue Jahr, vor allem Gesundheit!


Objekt des Monats - November 2023

Ein Haarbild aus dem 19. Jahrhundert

Haarbild zum Gedenken an Margarethe Dusollt, 1877,
menschliches Haar, Papier, Pappe, Holz, Glas
Inventar-Nummer: VM 2013/148 / II Ee 15

 

Der November ist der Monat der Totengedenktage: Allerheiligen am 1.11., Allerseelen am 2.11., Volkstrauertag (seit 1952) am zweiten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag und – seit der Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. im Jahr 1816 – Totensonntag am letzten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag. Während diese Gedenktage beibehalten wurden, haben sich die Formen des Totengedenkens mit der Zeit gewandelt. Das Objekt des Monats November stellt daher eine dieser vor, die uns heute nicht mehr geläufig ist: Ein Erinnerungsbild, kunstvoll gefertigt aus den Haaren einer Verstorbenen, daher auch Haarbild genannt. Heute seltsam, wenn nicht gar makaber anmutend, handelte es sich dabei im 19. Jahrhundert um einen gängigen Brauch:

Das Haar von Familienangehörigen wurde – zu floralen Motiven in Schlingen- und Schlaufentechnik verarbeitet, manchmal mit Draht verstärkt, zu Zöpfen geflochten oder aufgeklebt – in Kastenbilder eingebracht und zu Hause gut sichtbar aufbewahrt. Erinnert wurde damit vor allem an nahestehende Tote, aber auch an Namenstage, Hochzeiten oder andere denkwürdige Anlässe. Manchmal wurden auch Haare mehrerer Familienmitglieder ineinandergearbeitet, um die Verbundenheit zu symbolisieren. Haarbilder fertigten Frauen privat oder professionelle Herstellerinnen und Hersteller als Auftragsarbeiten, insbesondere Perückenmacher, die sich nach dem Wegfall der Perückenmode so eine neue Einnahmequelle sicherten.

Das Bild aus den Beständen des Vonderau Museums zeigt in ovalem, goldverziertem Passepartoutausschnitt ein typisches Motiv: Die Grabstelle mit Grabmal unter Bäumen, wohl einer Trauerweide. Auf dem Grabstein zu lesen sind Name und Sterbedatum der Verstorbenen:

Marg.[arethe] Dusollt
geb. Molitor
gest. 13. Juli
1877

Die dauerhafte Präsenz des geliebten Menschen symbolisierend, entstanden aus dem robusten und langlebigen Werkstoff Haar im 19. Jahrhundert auf dem Höhepunkt der Erinnerungskultur rund um das menschliche Haar nicht nur Haarbilder, sondern auch intime Schmuckstücke wie Uhrketten, Armbänder oder Ohrgehänge. Mit dem Aufkommen der Fotografie verlor das Haarbild zum Ende des 19. Jahrhunderts als individuelles Erinnerungsobjekt an Bedeutung.


Objekt des Monats - Oktober 2023

Europäischer Braunbär

Seit 1835 ist der Europäische Braunbär in Deutschland ausgestorben. Eine Überraschung kam mit dem im Jahr 2006 aus Österreich eingewanderten Braunbär „Bruno“, der später als „Problembär“ in Bayern erschossen wurde.

Vorkommen
Der Braunbär (Ursus arctos) kommt in Nordamerika und Eurasien in den Unterarten Europäischer Braunbär, Grizzlybär und Kodiakbär vor. Durch Bejagung und Zerstörung seiner Lebensräume gibt es in West- und Mitteleuropa nur noch kleine Restvorkommen. In Nordspanien haben sich die Bestände des Europäischen Braunbärs wieder erholt. Die größte europäische Population ist noch im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu finden, die zweitgrößte in Rumänien mit ca. 6.000 Tieren sowie in Skandinavien und in Kroatien.

Lebensweise
Eines der größten Landraubtiere der Welt ernährt sich als Allesfresser überwiegend vegetarisch: Gräser, Kräuter, Wurzeln, Nüsse, junge Zweige, Blüten, Pilze und Obst. Außerdem frisst er Insekten und deren Larven, Eier, Vögel, Mäuse und sogar Aas. In den Alpen räubert er auch Kaninchen- und Geflügelställe aus und reißt auch das eine oder andere Schaf, Ziege, Kalb oder Reh, die er einfach mit einem Prankenhieb erschlägt.

Alter
Sie können 20 bis 30 Jahre alt werden, in Gefangenschaft sogar bis 47 Jahre. Im Tiergarten Weilburg, der von HessenForst angelegt und betreut wird, leben schon seit etwa 20 Jahren zwei Braunbären.

Besonderheiten
Braunbären können bis zu 50 km/h schnell laufen – also unmöglich, vor ihnen wegzulaufen! Und: sie können sehr gut schwimmen.


Objekt des Monats - September 2023

Die lange Reise einer Dokumentenkassette

Lina Hesdörffer, geb. am 17.12.1873 in Fulda, wohnhaft im Haus Hesdörffer, Karlstraße 5 wurde am 5.9.1942 von Fulda nach Theresienstadt deportiert und am 29.9.1942 in Treblinka ermordet.

Alles, was von ihr geblieben ist, ist diese Dokumentenkassette.

Kurz vor ihrer Deportation wendete sich Lina Hesdörffer an den Notar Steinmetz in Fulda und übergab ihm die ihr so wichtigen Dokumente zur Aufbewahrung. Es handelt sich unter anderem um Impfbescheinigungen aus dem 19. Jahrhundert, die Heiratsurkunde ihres Bruders, ein Führungszeugnis von 1940 für die geplante Ausreise aus Deutschland und weitere persönliche Dokumente, die ihr wichtig waren.

Als Lina Hesdörffer nach dem Krieg nicht nach Fulda zurückkehrte, suchte Familie Steinmetz ohne Erfolg nach Familienangehörigen. Erst 2021 konnte durch einen Zufall der Kontakt
zu Charles Hesdörffer, dem Neffen der kinderlosen Lina Hesdörffer, hergestellt werden. Charles Hesdörffer ist im Vorstand des Leo Baeck Instituts Berlin und möchte die Geschichte der Dokumente im digitalen Archiv des LBI verfügbar machen.

Herzlichen Dank an Familie Steinmetz, dass sich der Besitz von Lina Hesdörffer nun wieder in Familienbesitz befindet.

The long journey of a document box

Lina Hesdörffer, born on December 17th, 1873 in Fulda, residing at Hesdörffer house, Karlstraße 5 was deported from Fulda to Theresienstadt on September 5th, 1942 and
murdered in Treblinka on September 29th, 1942.

All that’s left of her is this document box.

Shortly before her deportation, Lina Hesdörffer contacted notary Steinmetz in Fulda and gave him important documents for safekeeping. These are among others vaccination
certificates from the 19th century, her brother’s marriage certificate, a certificate of conduct from 1940 for the planned departure from Germany and other personal documents that were important to her.

When Lina Hesdörffer did not return to Fulda after the war, the Steinmetz family searched for family members without success. It was just by chance that contact was made with Charles Hesdörffer, the nephew of childless Lina Hesdörffer, in 2021. Charles Hesdörffer is on the board of the Leo Baeck Institute Berlin and would like to give access to the story and documents in the digital archive of the LBI.

Many thanks to the Steinmetz family that Lina Hesdörffer’s property is now family owned again.

 


Objekt des Monats - August 2023

Basalt mit Mangan-Dendriten

Inventar-Nummer 62-19, Schenkung Mineraliensammlung Pfaff

Das Stück wurde im Steinbruch der Firma F.C. Nüdling am Suhl bei Nüsttal-Haselstein (Rhön) gefunden und stammt aus der Mineralien-Sammlung Pfaff. Ein Teil dieser
Mineralien-Sammlung ging im Jahr 2022 als Schenkung von Siegfried Pfaff an das Vonderau Museum über.

Bei dem Gestein handelt es sich um einen Basalt. Basalte sind vulkanischen Ursprungs und setzen sich hauptsächlich aus den Mineralen Plagioklas, Pyroxen und
Olivin zusammen. Vulkanische Gesteine entstehen, wenn eine Gesteinsschmelze nahe der Erdoberfläche oder direkt an der Erdoberfläche relativ schnell abkühlt.

Die dunklen verästelten Gebilde auf dem Basalt sind sogenannte Dendrite (vom Griechischen dendron = Baum), die hier aus Manganoxiden bestehen. Diese wie
Pflanzen anmutenden Kristalle werden aus einer manganhaltigen Lösung ausgeschieden, wachsen besonders schnell an den Spitzen und bilden so die Ästchen aus.

Der Vulkanismus in der Rhön begann vor etwa 26 Millionen Jahren im späten Oligozän und dauerte bis vor ca. 11 Millionen Jahre an (mittleres Miozän). Die vulkanischen Gesteine der Rhön entstanden dabei hauptsächlich während zwei Phasen im Miozän. Die erste und bedeutendere Phase fand vor etwa 22 bis 18 Millionen Jahren statt. Die zweite Phase spielte sich vor ca. 11 Millionen Jahren ab. Eine genauere Altersbestimmung gibt es für die Basalte aus dem Steinbruch am Suhl nicht, weshalb die Entstehung des Stücks nicht eindeutig einer der beiden Phasen zugeordnet werden kann.


Objekt des Monats - Juli 2023

Reisekiste mit sechs Flaschen

Inventar Nummer: III B 50, 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts

Dr. Heinrich Hahn, der frühere Kulturamts- und Museumsleiter (von 1947 bis 1976) hielt folgende Inventar-Informationen zu diesem Objekt fest:
Reisekiste III B 50, 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Kleine Kiste aus Fichtenholz mit Eisenbeschlag, 2 Griffen und Schloss. Inhalt: 6 viereckige Flaschen für Weinproben

Wir haben diese „Reisekiste mit sechs Flaschen“ aus der Museumssammlung noch einmal genauer untersucht:

Die kleine Kiste ist aus Eichenholz gefertigt und mit Eisenbeschlägen sowie zwei Tragegriffen und abschließbarem Schloss ausgestattet.

Im Inneren stehen fünf dickwandige, leicht rechteckige Likör-Flaschen ungepolstert, aber passgenau in den Fächern. Eine sechste viereckige
Flasche ist fälschlicherweise zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt worden.
Denn Recherchen im Internet haben ergeben, dass sich im sechsten Fach wohl stattdessen ursprünglich Likör-Gläser - geschützt in einer runden Box mit Deckel - befunden haben.

Drei der Flaschen haben noch ihre Originalverschlüsse: Korken mit verzierten Messingkappen, deren montierte Ringe aus Eisen das Herausziehen des Korkens erleichterten.

Ob diese Transportkiste für die Likör-Proben eines Händlers, für das Picknick im Grünen oder für die Reise unterwegs in der Postkutsche genutzt wurde, ist – ohne Zeitzeugenberichte - nicht mehr zu klären.


Objekt des Monats - Juni 2023

Die Sonnenuhr

Horizontale Tischsonnenuhr, Inventar-Nummer: III D 40
Schiefer, Eisenstifte in Bodenfläche, zwei Schattenwerfer aus Metall

Schon im Jahr 2.500 v. Chr. konnten die Menschen die Uhrzeit in Erfahrung bringen. Die ersten Sonnenuhren traten in diesem Jahrhundert erstmals in China auf.
Wie der Name verrät, machten sich die Menschen bei der astronomischen Sonnenuhr die Sonne zur Hilfe, um die Uhrzeit des Tages in Erfahrung zu bringen. Es wurde ein „Zeiger“, der Schattenstab, auch Polstab genannt, parallel zur Erdachse aufgestellt. Auf diesen fielen Sonnenstrahlen. Der Schatten, der dabei entsteht, fällt auf ein aufgetragenes Zifferblatt und gibt so die Uhrzeit an. Im Laufe des Tages ändert sich der Stand der Sonne, wodurch die Länge und die Richtung des Schattens variieren. Eine andere Stelle des Zifferblattes wird mit Schatten belegt und die Uhrzeit wird angegeben.

Genutzt wurde die Sonnenuhr von verschiedenen Kulturgruppen, wie den Ägyptern, den Chinesen, aber auch die Azteken, Mayas und die Inkas machten Gebrauch von Sonnenuhren. Bei den letzten 3 genannten Gruppen stand die Sonnenuhr voraussichtlich in Verbindung mit kultischen Zwecken.

Die Beobachtungen des Schattens in Abhängigkeit zu Sonne begannen in der griechischen Antike. Hierbei inspizierten die Menschen erstmals ihren eigenen Schatten. Während dieser Untersuchung wurde festgehalten, wie sich der Schatten zu unterschiedlichen Tageszeiten verändert. Die Beobachtungen wurden dann auf sogenannten Schattentafeln notiert. Diese Erfindung wurde im römischen Reich bis hin zum Mittelalter genutzt.
Mit dem Schattenstab konnte jedoch noch nicht die Uhrzeit bestimmt werden. Trotzdem stellte es für die Menschen einen Nutzen dar, weil so die Sonnenwende, die Mittagszeit und auch die Tagundnachtgleiche herauszufinden war. Mit dem Schattenstab war die Grundlage für den ersten Mittagsweiser geschaffen.

Die Kombination aus Schattenstab und Mittagsweiser ist die Grundlage der Sonnenuhr, die sich dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Kulturen entwickelte.

In unserer modernen Welt wird die Sonnenuhr für die Uhrzeit nicht mehr benötigt. Sie ist dennoch ein beliebtes Dekorationsobjekt in Parks, Gebäuden sowie Gärten.


Objekt des Monats - Mai 2023

Fuldaer Pfadfinderkluft

1970er/1980er Jahre

Im Jahr 1948 gründete sich eine evangelische Pfadfindergruppe an der Christuskirche in Fulda. Anlässlich des 75-jährigen Bestehens wurde dem Vonderau Museum eine Pfadfinderkluft als Schenkung für die kulturgeschichtliche Sammlung übergeben.

An der typischen Kleidung, auch Kluft genannt, sind die Pfadfinderinnen und Pfadfinder weltweit zu erkennen. Die einheitliche Kleidung zeigt die Zugehörigkeit zum jeweiligen Pfadfinderverband und repräsentiert das Gemeinschaftsgefühl der Kinder und Jugendlichen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion.

Das graue, langärmlige Klufthemd mit dem blauen Halstuch gehörte Andrea Leßmöllmann, die seit 1972 in der Pfadfinderbewegung aktiv ist. Seit 1980 ist sie ehrenamtlich engagiert in der evangelischen Jugendarbeit im Stamm „Graf Folke Bernadotte“ des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) an der Christuskirche in Fulda.

Einen festen Platz auf der Kluft haben die Aufnäher und Abzeichen. Auf der linken Brusttasche befindet sich das offizielle Zeichen des VCP mit KIeeblatt, Lilie und Kreuz. Darüber das Nationalitätenabzeichen mit dem Bundesadler und auf dem linken Arm das Abzeichen des Weltverbandes. Außerdem gibt es weitere individuelle Aufnäher, die an Aktivitäten, Zeltlager oder internationale Fahrten erinnern.

Gemeinsame Aktionen der Pfadfinderverbände, wie die jährliche Aussendung des Friedenslichts, verdeutlichen die ökumenische Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) im Bistum Fulda und dem VCP Fulda.

Mehr Informationen unter: www.vcp-fd.de


Objekt des Monats - April 2023

Steinbeil-Replik mit Knieholmschäftung

Leihgabe: Expo-Fauna Luksch

Während Ötzi vor 5.000 Jahren bereits mit einem Kupferbeil in den Alpen unterwegs war, gab es im heutigen Landkreis Fulda noch keine Werkzeuge oder Waffen aus Metall. Man verwendete stattdessen noch wie in den vorangegangenen Zeiten verschiedene bearbeitete Steine, auch als Klingen für die Beile.

Von den jahrtausendealten Werkzeugen sind heute in der Regel nur noch die Klingen übrig. Trotzdem sind die verschiedenen Arten der Holme und Schäftungen gut bekannt, da sich unter bestimmten Bedingungen manche Beile auch vollständig erhalten haben, vor allem in den Feuchtbodensiedlungen in Südwestdeutschland und der Schweiz.

Beile sind in erster Linie Werkzeuge und konnten in vielen Bereichen eingesetzt werden. Unter anderem waren sie zum Fällen von Bäumen, zur Holzbearbeitung und zum Bau von Gebäuden bestimmt.


Objekt des Monats - März 2023

Der Spazierstock von Oberbürgermeister Mackenrodt (1790-1859)

Inventar Nr.: IV X 9; Holz, Silber, Messing, Eisen; 1. Hälfte 19. Jahrhundert

Ein Gehstock kommt heute vor allem als medizinisches Hilfsmittel, beim schnellen Gehen oder Bergwandern zum Einsatz. Während der Spazierstock lange ein Statussymbol war, wurde er im 19. Jahrhundert zum modischen Accessoire des Bürgertums beim Flanieren.

Der lackierte Holzstock mit Silberknauf und Messingspitze aus der Sammlung des Vonderau Museums ist auf den ersten Blick ein gewöhnlicher Gehstock. Erst durch seinen Vorbesitzer – Oberbürgermeister Mackenrodt – wird er zum besonderen Objekt und erzählt ein Stück Stadtgeschichte.

Jodocus Daniel Mackenrodt wurde 1790 in Römershag geboren und war seit 1811 zunächst als Kanzleiangestellter für die Stadt Fulda tätig, bis er 1833 zum Vorsteher der städtischen Verwaltung aufstieg. Nach der Einführung der kurhessischen Gemeindeordnung wurde Mackenrodt 1835 zum ersten Oberbürgermeister von Fulda gewählt. Seine Amtszeit von 1835 bis zu seinem Tod 1859 war von den politischen Umbrüchen in Deutschland und Europa geprägt.

In der Revolution von 1848/49, die sich 2023/24 zum 175. Mal jährt, wurden auch in Fulda Forderungen nach bürgerlichen Rechten und Freiheiten erhoben. Der Protest der Fuldaer Bürgerschaft richtete sich auch gegen die Amtsführung Mackenrodts, der kurzzeitig das Amt niederlegte und dieses erst 1850 wieder aufnahm.

Als Oberbürgermeister förderte Daniel Mackenrodt besonders die nachhaltige Entwicklung und Stadtbegrünung. Auf seine Initiative geht der Badegarten zwischen den Fuldaauen und der Frankfurter Straße zurück, der im Rahmen der Landesgartenschau 2023 neugestaltet wurde. Darüber hinaus wurden viele Straßen verbessert, Grünflächen am Angel und am Eichsfeld angelegt und Obstbäume an den Wegen gepflanzt. Aufgrund der Naturverbundenheit ließ Daniel Mackenrodt auf seinem Grab am Alten Städtischen Friedhof anstatt eines Grabsteines eine Eiche pflanzen. Seit 1950 erinnert die Mackenrodtstraße an den ersten Fuldaer Oberbürgermeister.


Objekt des Monats - Februar 2023

Clown-Schwellkopp

aus Pappmaché, Fulda (1930er Jahre)

Schwellköpp, hochdeutsch: Geschwollene Köpfe, begleiten in der Fuldaer Foaset den Rosenmontags-Umzug seit den 1930er Jahren. Ihre Vorläufer stammen aus dem Karneval in Nizza und Viareggio im 14. Jahrhundert. Die den Schwellköppen ähnlichen Figuren werden dort auch heute noch im Karneval gezeigt.

Die Fuldaer Schwellköpp wurden nach Mainzer Vorbild geschaffen. Sie stellen häufig Stereotype wie den „dummen Bauern“, den Deutschen Michel mit blauer Schlafmütze oder den preußischen Schutzmann mit Pickelhaube dar. Die alltäglich bekannten Figuren werden dabei auf angeblich für sie typische Merkmale reduziert.

In diesem Sinn sind auch Clown-Darstellungen wie das hier gezeigte Exemplar üblich. Als Gegenspieler des durchtriebenen Harlekins aus der Commedia dell‘ Arte steht der gutmütige, aber tollpatschige Clown klischeehaft für die Unzulänglichkeit des Menschen. Seine große Beule am Kopf, die er unter einem Hütchen verbirgt, gibt einen deutlichen Hinweis darauf.

Wer den Clown-Schwellkopp geschaffen hat, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Anhand alter Fotos lässt sich jedoch nachweisen, ab wann er am Rosenmontags-Umzug in Fulda teilgenommen hat. So können wir das hier gezeigte Exemplar auf die 1930er Jahre, eventuell konkret auf 1934 datieren. Auch die Herstellung aus Pappmaché spricht dafür. Später wurden andere Materialien, bis hin zu Plastik verwendet.

Der Fundort des Schwellkopp auf dem Dachboden der Domschule in der Unterstadt und auch das hier gezeigte Foto von 1960 weisen darauf hin, dass der Clown-Schwellkopp Fuldas ältestem Karneval-Verein, dem Vorstädtischen Bürgerverein 1888 e.V., ehemals Türkenbund gehörte.

Weitere Exemplare der Fuldaer Schwellköpp, wie beispielsweise der oben erwähnte Deutsche Michel, befinden sich im Fastnachtsmuseum im Stadtschloss Fulda.


Objekt des Monats - Januar 2023

Mastodonsaurus giganteus

Dieser Bronzeabguss eines Mastodonsaurus giganteus -Schädels ist eine Schenkung von R.SCHOCH an das Vonderau Museum. Das Original ist ein Kupferzeller-Exemplar (Baden-Württemberg) des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, das etwa 240 Millionen Jahre alt ist.

Der Name Mastodonsaurus leitet sich vom Griechischen ab und bedeutet so viel wie „Zitzen bezahnte Echse“. Das geht auf die Beobachtung zurück, dass die Zahnspitzen bei den Fossilien oft abgenutzt oder abgebrochen sind und dann einer Zitze ähnlich sehen. Die Bezeichnung als Echse ist dabei irreführend. Zunächst war noch unsicher, ob es sich bei den ersten Fossilfunden von Gaildorf (Baden-Württemberg) im Jahr 1824 um die Überreste eines Reptils oder eines Amphibiums handelte.

Inzwischen gibt es auch vollständigere Skelette von Mastodonsaurus. Heute ist bekannt, dass diese Tiere zu den größten Amphibien, die jemals lebten, zählen. Sie lebten in dem Zeitraum von vor ca. 247,2 bis 230 Millionen Jahren und konnten eine Länge von etwa 5,5 m erreichen. Auffallend sind die vier „Höhlen“ an der Spitze des Schädels. Die zwei inneren bilden die Nasenlöcher. Aus den beiden äußeren Löchern schauen bei geschlossenem Kiefer die Zähne des Unterkiefers durch den Oberkiefer hervor.

Mastodonsaurus giganteus lebte hauptsächlich in Gewässern mit Süß- und Brackwasser und ernährte sich von Fischen. Damals gab es in Mitteleuropa immer wieder Wechsel von Meeresvorstößen aus dem Südwesten und Rückgängen des Meeres. Von Skandinavien her entstand ein Deltasystem, das dem heutigen Mississippi ähnelte. Zeitweise austrocknende Sumpfgebiete und Seen bedeckten die Landschaft.

Da das Fossil vor allem im Lettenkeuper vorkommt und die Ablagerungen aus dieser Zeit hier größtenteils schon abgetragen sind, sind Funde in der Region Fulda sehr unwahrscheinlich.


Objekt des Monats - Dezember 2022

Teddybär in selbstgenähter Leinenkleidung

Inv. Nr.: III N 2021/1, 1930er Jahre

 

Der Teddybär ist eines der beliebtesten Kuscheltiere. Die flauschige Nachbildung eines Bären, meist mit braunem oder beige-farbenem Fell, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden. Es gibt zwei verschiedene Entstehungsgeschichten – eine deutsche und eine amerikanische. Ihre Gemeinsamkeit ist der Namensgeber:

1902 entwickelte die deutsche Spielwarenfabrik „Steiff“ den ersten Plüschbären mit beweglichen Armen und Beinen. Der Bär wurde auf der Leipziger Messe von einem amerikanischen Vertreter erworben. Ein Sekretär des US-Präsidenten Theodore Roosevelt entdeckte ihn im Schaufenster eines Geschäfts und erwarb das Plüschtier als Dekoration für die Geburtstagstafel von Roosevelts Tochter. Ihr soll der Bär so sehr gefallen haben, dass sie ihn nach ihrem Vater „Teddy“ benannte.

Auch in der amerikanischen Geschichte erhielt das Stofftier seinen Namen durch den US-Präsidenten. Als Theodore Roosevelt auf einer Bärenjagd in Mississippi 1902 nicht erfolgreich war, setzten ihm die Mitglieder seiner Jagdgesellschaft ein angebundenes Bärenbaby vor die Flinte. Roosevelt weigerte sich jedoch das Bärenjunge zu erschießen. Ein Karikaturist der Washington Post hielt dies in einer Zeichnung fest und so wurde das Tier zur positiven Symbolfigur für den Präsidenten. Davon inspiriert, soll ein russischer Einwanderer einen Bären als Schaufensterdekoration gebastelt haben. Daraufhin soll der Name „Teddy‘s bear“ von dem US-Präsidenten schriftlich gestattet worden sein.

Für Kinder ist das Plüschtier mehr als nur ein Spielzeug. Der Teddy wird in der spielerischen Welt als ein lebendiges Wesen erlebt. Er ist Vertrauter, Beschützer und gibt Geborgenheit.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich die Teddybären weltweit zu begehrten Sammlerobjekten.

Auch noch heute ist der Teddy ein beliebtes Weihnachtsgeschenk.

Das Team des Vonderau Museums wünscht Ihnen im Namen der Stadt Fulda eine schöne Advents- und Weihnachtszeit und alles Gute für das neue Jahr, vor allem Gesundheit!


Objekt des Monats - November 2022

Oswald Pejas: Porträt Theo Gutberlet, 1988
Öl auf Leinwand, Dauerleihgabe von Wolfgang Gutberlet
 

1988 gab Wolfgang Gutberlet anlässlich des 75. Geburtstages seines Vaters Theo Gutberlet bei seinem ehemaligen Klassenlehrer dem Fuldaer Maler und Kunsterzieher Oswald Pejas ein Porträt des Jubilars in Auftrag. Theo Gutberlet (1913-1994) war Gründer des Lebensmitteleinzelhändlers Tegut. Das Handelsunternehmen mit Hauptsitz in Fulda feiert in diesem Jahr sein 75jähriges Bestehen.

Im November 1947 gründete Theo Gutberlet mit einem Startkapital von einigen gebrauchten Nägeln, selbstgemachten Taschen aus Wehrmachtsrestbeständen und einigen selbstgenähten Hemden aus Fallschirmseide das Unternehmen unter dem Namen Thegu, abgeleitet aus den Anfangsbuchstaben seines Vor- und Nachnamens. Im ersten Jahr bestand Thegu aus zwei Märkten und zwei Mitarbeitern. 1955 folgte die Umbenennung in Tegut. Ab 1961 hießen die größeren Filialen HaWeGe als Akronym für „HandelsWarenGesellschaft“ und ab 1973 die kleineren Okay. 1972 entstand eine eigene Wurst- und Fleischverarbeitung als Tochterunternehmen kff Kurhessische Fleischwaren GmbH. Ein Jahr später übernahm Wolfgang Gutberlet, der Sohn des Unternehmensgründers, die Führung des Unternehmens. Als einer der Ersten bot er ab 1982 neben konventioneller Ware auch Bio-Lebensmittel an.

1989 wurde das Unternehmen in eine Stiftung überführt, deren Aufsichtsrat die Geschäftsführer einsetzt. Seit 30. August 2009 liegt der Vorsitz in dritter Generation bei Thomas Gutberlet, dem Enkel des Unternehmensgründers. Das Familienunternehmen hat heute 290 Filialen und 7.700 Mitarbeiter.

Das Vonderau Museum würdigt den Maler Oswald Pejas, der am 19.11.2021 100 Jahre alt geworden wäre, mit der Sonderausstellung „MALER | FLIEGER| KUNSTERZIEHER -
100 JAHRE OSWALD PEJAS“.

Zu sehen sind nie gezeigte Arbeiten wie naive Kinderzeichnungen, eine Auswahl an Aquarellen sowie Arbeiten aus seinen Studienjahren in Düsseldorf, Kassel und Frankfurt und
seiner Zeit als Kunsterzieher in Griechenland.

MALER | FLIEGER | KUNSTERZIEHER - 100 JAHRE OSWALD PEJAS
2. November 2022 bis 29. Januar 2023 im Vonderau Museum


Objekt des Monats - Oktober 2022

Kaffeesack der „Finca Fulda“

Der tägliche Kaffee am Morgen, an der Arbeit oder unterwegs ist für viele als Wachmacher und Genussmittel im Alltag unverzichtbar. Mit einem Pro-Kopf-Konsum von 169 Litern im Jahr 2021 ist Kaffee das Lieblingsgetränk der Deutschen. Heute ist Kaffee zum Lifestyle-Produkt geworden. Ob Espresso, Latte Macchiato, Cappuccino oder Flat White – die Auswahl an Kaffeespezialitäten ist riesig. Für die Zubereitung gibt es ebenfalls zahlreiche unterschiedliche Methoden, etwa der klassische Handfilter, praktische Vollautomaten und italienische Siebträgermaschinen. Entscheidend für den Geschmack sind allerdings die Qualität der Kaffeebohne, die Art der Röstung und der richtige Mahlgrad.

Auch in den kleinen, regionalen Röstereien in Fulda wird das schwarze Gold zelebriert. Für den ausgebildeten Kaffeesommelier Heiko Reinholz ist frisch aufgebrühter Filterkaffee die ehrlichste Art der Zubereitung, da sich die Aromen dabei am besten entfalten können. Mit der Gründung der Fuldaer Kaffeerösterei Reinholz machte er seine Leidenschaft zum Beruf. Besonders großen Wert legt der Röstmeister auf faire Löhne und Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern sowie die persönliche Zusammenarbeit mit den Kaffeebauern in Zentral- und Südamerika.

Einer der Farmer, mit denen Heiko Reinholz seit 2018 arbeitet, ist Rainer Böhme, selbst ein gebürtiger Fuldaer. Im Jahr 1974 wanderte er aus Deutschland aus und begann in den 1980er Jahren mit dem Kaffeeanbau in der Region Chiapas im Süden Mexikos. Dort bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Ibbeth und rund 500 Mitarbeitenden mehrere Kaffeefarmen auf einer Fläche von rund 280 Hektar. Eine seiner Kaffeeplantagen benannte er nach seiner Heimatstadt „Finca Fulda“. Die Arabica-Bohnen werden im mexikanischen Hochland in Tapachula an der Grenze zu Guatemala auf einer Höhe von 1.300 bis 1.500 m angebaut. Nach der Ernte und Verarbeitung der reifen Kaffeekirschen wird der Rohkaffee traditionell in grob gewebte Jutesäcke abgefüllt, die zuvor mit dem Logo der „Finca Fulda“ mit dem Fuldaer Dom gestempelt wurden. Rund 70 kg Rohkaffee werden in einem Kaffeesack verpackt. Anschließend erfolgt der Transport ohne Zwischenhändler von der Plantage in Mexiko auf dem Seeweg im Schiffscontainer zum Hamburger Hafen und bis nach Fulda. Mit dem Verkauf des Kaffees werden auch die sozialen Projekte der „Finca Fulda“ für eine faire Bezahlung, Schulbildung und Versorgung der Mitarbeitenden sowie deren Familien unterstützt.

Der Kaffeesack der „Finca Fulda“ wurde dem Vonderau Museum von der Reinholz Kaffeerösterei geschenkt. Das Objekt ergänzt die Sammlung des Museums zur Fuldaer Zeitgeschichte und Gegenwart. Der Kaffeesack und die Geschichte dahinter veranschaulichen nicht nur die regionale Wirtschaftsentwicklung, sondern auch die globalen Verflechtungen und Migrationsgeschichte der Stadt.


Objekt des Monats - September 2022

Macrocnemus - Der Saurier aus der Muschelkalkzeit

Von dem flinken Macrocnemus aus der Muschelkalkzeit sind viele versteinerte Fußspuren (Fährten) erhalten geblieben. Skelette hingegen sind bisher nur am Monte San Giorgio im Tessin und in Südchina gefunden worden. Der Name bedeutet „lange Beine tragend“.

Macrocnemus war ein Saurier (von griechisch „sauros“ = Echse/Reptil) und ein Vorfahre der Krokodile und der Dinosaurier. Seine extrem häufigen Fußspuren wurden in den Karbonatwatt-Schichten der Muschelkalkzeit gefunden, in denen viel Kalk (Kalziumkarbonat) abgelagert wurde. Die Muschelkalkzeit war ein 8 Millionen Jahre umfassender Zeitabschnitt der Triaszeit, der vor etwa 245 Millionen Jahren begann. In dieser Zeit drang das Urmeer Tethys in das Mitteleuropäische Becken ein und flutete es. In dem flachen subtropischen Randmeer entstanden über 200 Meter mächtige kalkreiche Ablagerungen mit zahlreichen Muscheln und Schnecken, die dieser erdgeschichtlichen Epoche die Bezeichnung Muschelkalk gaben. Ähnliche Bedingungen herrschen heute im Persischen Golf und auf der Bahama-Bank.

Die gut erhaltenen Details der Klauen und der Struktur der Hautschuppen bei den Fußspuren zeigen, dass sie von Landbewohnern stammen. Macrocnemus hatte eidechsenähnliche Füße und einen gespreizten Gang, bei dem die Hände von den Füßen seitlich übertreten wurden. Ähnlich wie die heutigen Strandvögel eilte er über den Kalkschlick auf der Nahrungssuche nach angespülten Kleintieren. Vermutlich grub er auch die Eier des Pfeilschwanzkrebses aus dem weichen Kalkschlamm aus.

Verkleinerte Rekonstruktion und Modellbau aus diversen Verbund-Kunststoffen gefertigt und handkoloriert von Sebastian Brandt, Erfurt, für die Sonderausstellung „In einem Meer vor unserer Zeit“ – Das Ökosystem Muschelkalk“, 2012.


Objekt des Monats - August 2022

Federn des Wiedehopfs (Upupa epops) aus der Federsammlung

Federsammlungen
Federsammlungen sind wichtig für die Artbestimmung. Besonders aus dem Zusammenhang gebrachte Federn werden so einem Vogel zugeordnet. Sind beispielsweise von einem gerupften Beutevogel nur noch Federn übrig, kann er durch Vergleiche mit einer Federsammlung bestimmt werden. Auch wenn in der Zeit der Mauser nur einzelne Federn zu finden sind, ist das ein Hinweis für das Vorkommen einer Vogelart. Zu sehen sind hier Federn des Wiedehopfs von unterschiedlichen Bereichen des Körpers. Abkürzungen wie AS (Armschwinge), ST (Steuerfedern), USD (Untere Schwanzdecken) etc. geben dabei Positionen am Vogel an.

Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022
Bereits im Jahr 1976 wurde der Wiedehopf zum Vogel des Jahres gekürt. Nun hat er diesen Titel erneut geholt. Mit seinem orange-braun, schwarz und weiß gefärbten Federkleid und dem aufgestellten Kamm ist er eine sehr auffällige Erscheinung. Sein langer, leicht gebogener Schnabel eignet sich bestens, um am Boden nach Nahrung zu stochern. Der Name „Upupa“ leitet sich vom Balzruf des Männchens ab, der wie ein „upupup“ klingt. Einen Gastauftritt hat der Wiedehopf im Volkslied „Die Vogelhochzeit“. Dort heißt es „Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut ´nen Blumentopf“.

Lebensraum
Der Wiedehopf bewohnt offene Landschaften mit kurzer Vegetation für die Jagd am Boden. Er braucht aber auch ältere Bäume, die er zum Brüten nutzen kann. Klassische Lebensräume in Mitteleuropa sind Streuobstwiesen und Weinberge.

Brutverhalten
Zum Nisten nutzt das Weibchen Spechthöhlen und Nistkästen, aber auch Nischen, Mauerspalten und Steinhaufen. Das Weibchen und die Jungvögel wehren zu nahekommende
Störenfriede ab, indem sie ein übelriechendes Sekret in der sogenannten Bürzeldrüse am Schwanzansatz produzieren. Der Gestank schreckt Katzen, Marder, Füchse und Hunde erfolgreich ab. Das brachte ihm den Namen „Stinkvogel“ ein. Die Nahrung beschafft während des Brütens ausschließlich das Männchen.

Nahrung
Auf dem Speiseplan stehen Käfer, Grillen, Heuschrecken, Engerlinge und Schmetterlingsraupen. Gelegentlich auch Spinnen, Regenwürmer, Schnecken und Eidechsen. Eine bevorzugte Beute ist die Maulwurfsgrille, die ausschlaggebend für den Bruterfolg sein kann.

Bedrohung
Als Zugvogel lebt der Wiedehopf zwischen August und April im westlichen Mittelmeerraum und südlich der Sahara. Die illegale Jagd während des Vogelzugs ist für ihn noch immer eine Gefahr. Auch mit dem Verlust des Lebensraums hat er zu kämpfen. Intensive Landwirtschaft, fehlende Möglichkeiten zum Brüten und der Einsatz von Pestiziden brachten ihn auf die Rote Liste. In Hessen ist er vom Aussterben bedroht. Nach einem Tiefpunkt in den 1990er Jahren ist wieder ein leichter Aufwärtstrend der Brutpaarzahlen zu sehen, was auch ein Anzeichen für den Klimawandel ist.


Objekt des Monats - Juli 2022

Zwei Porträtgemälde: Barbara und Bonifaz Herchenhahn

unbekannter Künstler, Öl auf Holztafel, ca. 1803-1810, spätere Rahmung, Ankauf/Spende von Peter Jacob 2020
Vonderau Museum Fulda, Inventar-Nummer: VM 2020/2+3

Im Jahr 1802 wird im Zuge der Napoleonischen Kriege der aus den Niederlanden geflohene Erbstatthalter Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau, der spätere niederländische König Wilhelm I., erster weltlicher Landesfürst Fuldas (bis 1806). Als dieser im Dezember des Jahres Einzug in seiner neuen Residenzstadt hält, findet er diese und das Stadtschloss der Fürstbischöfe in barocken Formen vor. Mit dem neuen Herrscher zieht alsbald nicht nur mit Möbeln wie dem Kanapee oder der Chaiselongue, sondern auch in der Kleidung ein neuer Stil in Fulda ein: die klassizistische Empire-Mode.

Das Empire, französisch für „Kaiserreich“, ist benannt nach Napoleon Bonapartes Regierungszeit als Kaiser 1804-1815, beginnt stilistisch aber bereits in dessen Zeit des Konsulats ab 1799. Auch die bürgerlichen Hofbeamten des neuen Fuldaer Landesfürsten kleiden sich nun „à la mode“: Die beiden Porträts zeigen das Ehepaar Barbara und Bonifaz Herchenhahn, die seit 1795 verheiratet waren und deren Nachfahren – aus der Ehe gingen 10 Kinder hervor – noch heute in Fulda ansässig sind. Ein Urururenkel ist Peter Jacob, aus dessen Besitz die Bilder stammen.*

Bonifaz Herchenhahn war Steuerrat, Assessor und Fürstlicher Administrator der Militär-Invaliden-Kasse. Im Fuldaer Stadtarchiv sind noch „Die Kriegssteuer-Rechnungen des Herrn Steuerrates Herchenhahn“ aus dem Jahr 1812 erhalten, als das Gebiet bereits Departement des Großherzogtums Frankfurt war. Er trägt die dunkle Empire-Herrenmode, bestehend aus einem Frack mit Stehkragen und Halstuch. Das Kleid seiner Gattin weist die typische Taille direkt unter der Brust sowie kurze Puffärmel und die Betonung des weiten Dekolletés durch feine Spitze auf. Schon die Mode der Französischen Revolutionszeit verbannte eng geschnürte Mieder und Reifröcke, mit dem Empire genossen die Damen, gehüllt in leichte Stoffe, Bewegungsfreiheit. Genutzt für die fließenden Kleider wurden Leinen, Musselin, Baumwolle, Batist und Seidenstoffe in Weiß oder Creme- und Pastelltönen, bei erwachsene Damen auch in kräftigeren Farben wie hier dem satten Gelb. Da sich viele modebewusste Trägerinnen darin erkälteten, sprach man bald von der „Musselin-Krankheit“.

Die Sonderausstellung „Design & Dynastie“ im Fuldaer Stadtschloss spannt anlässlich des 250. Geburtstages Wilhelms I. von Oranien-Nassau den Bogen vom Kunsthandwerk des 18. Jahrhunderts zum zeitgenössischen Design. Die Schleifenform des verspielten Anhängers, den Barbara Herchenhahn trägt, wird Ihnen dort als diamantenbesetzte Brosche im Louis XVI.-Stil des Pariser Hofjuweliers Mellerio dit Meller, der seit dem 18. Jahrhundert für das niederländische Königshaus tätig ist, wiederbegegnen. Erleben Sie die Historischen Räume und aufwändigen Arbeiten als Gesamtkunstwerk und gehen Sie auf Entdeckungstour, noch bis zum 28. August 2022 im Stadtschloss.

* Herr Jacob würde sich sehr freuen, weitere Nachfahren ausfindig zu machen. Kontaktaufnahme über das Museum möglich.

Sonderausstellung Design & Dynastie. 250 Jahre Hofleben Oranien-Nassau
18. Juni bis 28. August 2022 im Stadtschloss Fulda, täglich 10-18 Uhr

www.fulda2022.de

 


Objekt des Monats - Juni 2022

Siglinde Kallnbach: Red Uluru

2007, überarbeitete Fotografie
Vonderau Museum Fulda, Inventar-Nummer: VM 2022/9

Die Künstlerin Siglinde Kallnbach wurde 1956 in dem kleinen Dorf Neustädtges bei Tann in der Rhön geboren. Nach ihrem Abitur studierte sie 1976-1983 an der Kunsthochschule Kassel Bildhauerei, Grafik, Kunstpädagogik und Kunstwissenschaft. Bereits 1977 ging sie für ein Jahr nach Auckland in Neuseeland und verbrachte dort ein Akademisches Jahr.
1983 schloss Siglinde Kallnbach ihr Studium mit der „Examensperformance L(e)ine“ ab und erlangte ihr Staatsexamen in Kunsterziehung und Anglistik. Seitdem ist sie als freischaffende Künstlerin tätig. Zudem hatte sie Lehraufträge an der Musashi-Universität in Tokio, WAKO University in Machida bei Tokio, FH Bochum und Kunstakademie Bad Reichenhall. Reisen nach Australien, Ozeanien und Südostasien führten die Künstlerin zur Untersuchung traditioneller Riten.
Ihr Werk umfasst Performance, Installation, Multimedia, Fotografie und Aktionskunst.
Darin setzt sich Siglinde Kallnbach seit Ende der 1970er Jahre mit gesellschaftspolitischen Themen wie Diskriminierung, Rassismus, Krieg und Ungerechtigkeit auseinander. Dabei bezieht sie medienübergreifend Fotografien, verschiedene Objekte und Materialien in ihre Performances und Installationen mit ein, um in symbolischen Handlungen komplexe kulturelle Bedeutungen zu transportieren.
Als Siglinde Kallnbach 2007 erneut an Burstkrebs erkrankte und sich einer Mastektomie unterziehen musste, zog sie eine Art Lebensbilanz. Sie erstellte eine Liste von Dingen, die sie noch zu erledigen hatte und Dingen, die sie noch unbedingt machen wollte. Ein Punkt war, dass sie, seit ihrem ersten Australienaufenthalt im Jahr 1978, dort noch "einen Koffer stehen" habe, den sie gerne abholen wollte. Das geschah durch eine Reise-Route zu verschiedenen Orten, die sie aufsuchte und an denen sie Unterschriften und Äußerungen für ihr lebenslanges Projekt "a performancelife" sammelte. Ein Ziel war auch, den Uluru (Ayer's Rock) zu besuchen und zu fotografieren. "Faszinierend der Farbwechsel des Gesteins" schreibt die Künstlerin. "Je nach Tageszeit und je nachdem ob es vorher Regen gab, können sich Sandstein, Feldspat, Quarz oder auch der durch Eisenanteile bedingte Rost zu einem magischen Rot-Braun verbinden, passend zur von Sagen und Geheimnissen umwobenen Geschichte. Der Monolith spielt in den ‚Traumzeit‘- Mythen der Ureinwohner eine wichtige Rolle und ist für sie heilig. Das bedeutet u.a., dass man den Berg nicht besteigen soll, obwohl es damals noch offiziell gestattet war. Die später am Tag nicht enden wollende Schlange von Touristen, die sich den Berg hinaufzog, erschien mir wie eine übergriffige Landnahme. Ich beschränkte mich auf frühmorgendliches Fotografieren am Fuß des Bergs und, mit gebührendem Abstand, einer einsamen meditativen Performance im Outback."
Das "Prinzip des Abstands" liegt auch in dieser Arbeit vor. Die Künstlerin bearbeitete ihre Original- Fotografie, überzeichnete das Rot. Die Signalfarbe für die spirituelle Bedeutung des Uluru, seine ureigene Lebendigkeit und Kraft als Gegenpol zu seiner Eigenschaft als Tourismus-Magnet, die flirrende, gnadenlose Hitze des Outbacks oder einfach eine rein ästhetische Abstrahierung:  Interpretationen sind gewollt vielfältig.

Vom 30. November 2022 bis 05. Februar 2023 findet eine Ausstellung zu Siglinde Kallnbach unter dem Titel „a performancelife“ statt. Zudem werden in diesem Zeitraum auch Bilder ihres Partners Jürgen Raap in der Naturkundeabteilung zu sehen sein.

 


Objekt des Monats - Mai 2022

„Schloss und Schlüssel macht man nicht für treue Finger“
(Deutsches Sprichwort)

Eiserner Schlüssel
für ein Fallriegelschloss
Datierung: Späte Latènezeit (ca. 1. Jahrhundert v. Chr.)
Inventarnummer: I 2016/60 – 331

Eiserner Hakenschlüssel
für ein Schubriegelschloss
Datierung: Späte Latènezeit (ca. 1. Jahrhundert v. Chr.)
Inventarnummer: I 2019/6 – 30

Eiserner Schlüssel mit Bart
Datierung: ca. 16./17. Jahrhundert
Inventarnummer: I 2018/44

Wir alle benutzen tagtäglich diverse Schlüssel, ohne weiter darüber nachzudenken. Wie so vieles, begann auch die Entwicklung von Verschlusssystemen mit der neolithischen Revolution im Orient, als die Menschen sesshaft wurden und ihre permanenten Behausungen und Besitztümer vor fremdem Zugriff zu schützen suchten.
Die ältesten bekannten Schlüssel im Landkreis Fulda stammen aus der späten Eisenzeit: Mit dem kleinen eisenzeitlichen Schlüssel konnte ein komplexes Fallriegelschloss geöffnet werden. Sicherlich gehörte dieser Schlüssel zu einem kleineren Behältnis, möglicherweise einer Truhe. Die Form dieses Schlüssels erinnert bereits stark an die uns bekannten Bartschlüssel.

Mit dem großen und eigenwillig geformten Hakenschlüssel konnte ein auf der Innenseite der Tür angebrachter Holzriegel zur Seite geschoben werden. Dazu wurde der Hakenschlüssel von außen durch eine kleine Öffnung in der Tür geschoben.

Sehr vertraut erscheint der Bartschlüssel von der Ebersburg, der vermutlich aus der Zeit der späten Renaissance oder frühen Barockzeit stammt. Ob sich damit die Tür zu einem der Türme oder gar zum Verließ öffnen ließ?


Objekt des Monats - April 2022

Lioba Munz: Lamm Gottes (Modellplatte für Tabernakel?)
1957, Senkemaille/Kupfer/Silber mit Blütenobsidianen/Achaten
Dauerleihgabe der Benediktinerinnenabtei zur Hl. Maria Fulda, LV 118.55

Das Objekt des Monats ist die Modellplatte von 1957 von Lioba Munz für ein Tabernakel, welches das Lamm Gottes darstellt. Es handelt sich um ein Senkemaille mit Kupferfassung und einem Rahmen aus Silber. Verziert wird diese Platte mit Blütenobsidianen und Augenachaten. Vermutlich war diese Platte ein Probelauf für ein Tabernakel in der Christkönigkirche in Bielefeld.

Das Lamm Gottes ist unter dem lateinischen Namen „Agnus Dei“ bekannt und seit frühester Zeit des Christentums ein weitverbreitetes Symbol für Jesus Christus. Umgangssprachlich wird es auch oft als „Osterlamm“ bezeichnet. Es symbolisiert die Auferstehung Jesu Christi.

Lioba Munz OSB war Benediktinerin in der Abtei zur Hl. Maria in Fulda und Künstlerin, deren sakrale Kunstwerke und liturgisches Gerät deutschlandweit Verbreitung und Bekanntheit erlangten.

Geboren wurde sie als Lotte Munz 1913 im rheinlandpfälzischen Bingen. Nach einer musikalischen Ausbildung in Dresden, dem Besuch einer Frauenarbeitsschule in Mainz und Abendkursen an der Mainzer Kunstgewerbeschule, konvertierte sie 1933 vom evangelischen zum katholischen Glauben. 1934 trat sie als Novizin in die Benediktinerinnenabtei in Fulda ein und die Heilige Lioba wurde ihre Namenspatronin. 1935 legte sie die Triennalprofess ab und begann noch im gleichen Jahr eine künstlerische Ausbildung in der Abtei Herstelle. Nach Ablegung ihrer ewigen Profess 1939 begann sie mit dem Aufbau einer künstlerischen Werkstatt im Fuldaer Kloster.

1950 erlernte Lioba Munz bei dem Fuldaer Maler und Kunsterzieher Rudolf Kubesch die Technik des Emaillierens und die Malerei. Schon damals zeigte sich ihre Vorliebe für Formen früh- und hochmittelalterlicher sowie byzantinischer Kunst. So findet sich in ihrem Frühwerk von 1950-1955 bereits die Betonung der Linie und die kräftige Farbigkeit, wobei sie sich bis 1949 vorwiegend mit keramischen Arbeiten befasst hatte. Aufgrund ihres künstlerischen Könnens gewährte die Abtei Fulda Lioba Munz 1953-1958 den Besuch der Kölner Kunstgewerbeschule, wo sie als Meisterschülerin Elisabeth Treskows die Goldschmiedekunst erlernte.

Mit ihren Kunstwerken konnte Lioba Munz ihre tiefe Frömmigkeit ausdrücken. Sie wollte Gott im Atelier dienen. So sind die Gesten und Blicke ihrer Heiligendarstellungen von tiefer Eindringlichkeit, inhaltliche Bedeutung wurde durch Verwendung kostbarer Materialien, wie wertvollen Edelsteinen, Kristallen, Gold und Silber, gesteigert. So betonte sie u.a. bei Kreuzigungsdarstellungen die Wundmale durch Rubin- und Granittropfen, die Verwendung alter Münzen steht für Zeugnisse Menschlichen Wirkens. Die mehrfach gebrannten und aufwendig polierten Emailarbeiten bestehen, insbesondere im Bereich des Inkarnats, aus einer Vielfalt von Farbnuancen und Farbstrukturen, sodass sie eine Farbdichte und Transparenz entwickeln, wie man es nur von Glasfenstern kennt. Ihr Werk steht in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und zeitgenössischer Kunst. Während sie in der Komposition, Farbauswahl und Emailbehandlung zu neuen Motiven gelangte, orientierte sich der Verlauf der Stege sowie die Haltung der Figuren an der frühmittelalterlichen Buchmalerei.

1997 verstarb Lioba Munz 84jährig in ihrem heimatlichen Kloster.

2021 erhielt die Stadt Fulda von der Abtei zur Hl. Maria eine umfangreiche Dauerleihgabe aus dem Nachlass Lioba Munz‘. Zu den über 100 vom Vonderau Museum übernommenen Kunstwerken (Keramiken, Grafiken, Goldschmiede- und Emaillearbeiten) gehören auch Arbeitsgeräte und Materialien, wie ihr Werktisch. Weiter umfasst die Leihgabe eine umfangreiche Sammlung an Zeichenmappen, Skizzenbüchern und Fotoalben, in denen Lioba Munz ihre eigenen Kunstwerke und Reisen dokumentierte. Das Stadtarchiv Fulda übernahm eine große Zahl an Archivkartons, die Unmengen an Dokumenten, Arbeitsbücher, Dias etc. enthalten.


Objekt des Monats - März 2022

Querflöte aus der Mollenhauer-Werkstatt
Terzflöte in Es von Johann Andreas Mollenhauer, um 1825, Buchsbaum, Messing, Horn
Vonderau Museum Fulda, Inv. Nr. VM III E 1007

Nach siebenjähriger Wanderschaft gründete der gelernte Drechsler und Uhrmacher Johann Andreas Mollenhauer im Jahr 1822 eine Werkstatt in seiner Heimatstadt Fulda in der Florengasse. Dort spezialisierte er sich auf den Bau von Holzblasinstrumenten und erlangte schnell Bekanntheit. Auf der Gewerbeausstellung in Kassel präsentierte er 1823 eine Flöte mit Silberklappen aus Ebenholz, eine Klarinette und eine Oboe, jeweils aus Buchsbaum. Für seine Leistungen erhielt er die silberne Ehrenmedaille und wurde zwei Jahre später durch Kurfürst Wilhelm II. von Hessen zum Hofinstrumentenmacher ausgezeichnet. Mollenhauer begann nun neben seinem Namen auch den hessischen Löwen in die Gravur der Instrumente zu prägen.

Aus dieser Zeit stammt auch die Querflöte aus Buchsbaum aus der Sammlung des Vonderau Museums. Das Objekt befindet sich in der Dauerausstellung Kulturgeschichte, die derzeit wegen Sanierungsarbeiten nicht zugänglich ist. Noch bis in das 19. Jahrhundert wurden Flöten traditionell aus Holz gefertigt. Es handelt sich um eine Bauweise aus der Barockzeit, im Unterschied zur modernen Böhmflöte, die heute überwiegend aus Metall hergestellt wird. Unabhängig vom Material, zählt die Flöte jedoch aufgrund der Anblastechnik zu den Holzblasinstrumenten. Dabei wird der Ton durch das Blasen auf eine Anblaskante erzeugt. Das Öffnen und Schließen der Löcher, direkt mit den Fingern oder mithilfe von Klappen, bestimmt die Tonhöhe.

Johann Andreas Mollenhauer stellte bis zu seinem Tod im Jahr 1871, laut den Geschäftsbüchern, insgesamt 5559 Instrumente her – 2839 Klarinetten, 2422 Flöten, 24 Csakans (Stockflöten), 17 Flageoletts, 37 Oboen, 216 Fagotte und 4 Bassetthörner. Die Instrumente verkaufte er in Deutschland, der Schweiz, in Italien, Belgien und bis nach Amerika. Als Familienbetrieb fertigt Mollenhauer, inzwischen in der 6. Generation, erfolgreich Holzblasinstrumente in Fulda. Heute liegt der Fokus auf dem Bau von Blockflöten, die den Namen „Mollenhauer“ zur Marke entwickelten undin über 40 Länder weltweit vertrieben werden.

Erfahren Sie mehr über die Firmengeschichte, die Entwicklung des Musikinstrumentenbaus in Fulda und die Geschichte der Flöte in der Sonderausstellung: „Zwischen Fußdrehbank und 3D-Drucker – 200 MOLLENHAUER Holzblasinstrumentenbau“ vom 7. April bis 6. Juni 2022 im Vonderau Museum.


Objekt des Monats - Februar 2022

Ein 3.000 Jahre altes Grabinventar vom Lanneshof
Vonderau Museum Fulda

Der Fundort:

Bei diesem Grabinventar handelt es sich um die Beigaben einer Bestattung, die innerhalb eines großen Gräberfeldes bei Künzell-Lanneshof entdeckt wurde. Das Gräberfeld wurde in den Jahren von 1900 bis 1909 von dem Fuldaer Lehrer und Heimatforscher Joseph Vonderau in mehreren Ausgrabungskampagnen untersucht, nachdem bei Feldarbeiten immer wieder Keramikfragmente und Leichenbrand zu Tage kamen. Dabei konnten insgesamt 47 Gräber freigelegt werden.

Vorherrschend sind zwei Bestattungsformen, nämlich 41 Brandgräber sowie 6 Körpergräber. Die meisten Gräber datieren in die späte Bronzezeit (ca. 1.200 v. Chr. bis 800 v. Chr.), die aufgrund der vorherrschenden Bestattungsart auch Urnenfelderzeit genannt wird. Die Nekropole vom Lanneshof gehört zu den größten spätbronzezeitlichen Gräberfeldern in ganz Hessen.

Grab 25:

Dieses Grab wurde während der Grabungskampagne 1907 von Joseph Vonderau entdeckt. Es handelte sich um eine urnenfelderzeitliche Körperbestattung innerhalb einer ca. 2x0,7 m großen Steinsetzung, wobei sich keinerlei Überreste der bestatteten Person erhalten haben. In der südöstlichen Ecke befand sich der große Schulterbecher, welcher sich durch seine Verzierungen aus umlaufenden, stehenden und offenen Dreiecken auszeichnet. In der nordwestlichen Ecke der Steinsetzung befand sich die kleine Schale.

Auffällig an der Konstruktion des Grabes 25 ist, dass es an der östlichen Schmalseite eine ca. 40 cm breite Öffnung aufweist. Diese Konstruktion ist typisch für die Unstrutgruppe, eine spätbronzezeitliche Kulturgruppe in Thüringen. Auch andere Besonderheiten auf dem Gräberfeld weisen auf diese Gruppe hin, beispielsweise das zahlreiche Vorkommen von Schulterwulstamphoren sowie das parallele Vorkommen von Brand- und Körpergräbern. Offensichtlich haben am Lanneshof Träger der Unstrutgruppe aus Thüringen über mehrere Generationen ihre Toten bestattet.


Objekt des Monats - Januar 2022

Wolf (Canis lupus)
Präparat, Vonderau Museum Fulda

Wölfe in Hessen

Vor über 150 Jahren wurde der Wolf in Deutschland ausgerottet. Inzwischen sind über 30 Rudel in Deutschland wieder heimisch geworden. In Hessen gelang 2008 einem Jäger im nördlichen Reinhardswald eine Zufallsaufnahme eines Wolfs, der drei Jahre später tot gefunden wurde und vermutlich auf natürliche Weise starb. Zwischen 2015 und 2019 wurden fünf durchziehende Wölfe auf Hessens Autobahnen überfahren. Seit Juli 2019 sind eine Wölfin bei Ulrichstein im Vogelsberg und eine Wölfin in der Umgebung des "Stölzinger Gebirges" sesshaft geworden. Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg gibt es ein Wolfspaar, das vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) anhand eines Videos nachgewiesen werden konnte. Dieses Wolfspaar ist auch schon in Bebra fotografiert worden.

Angst und Vorurteile – Toleranz und Verständnis

Vielfach begegnen die Menschen dem Wolf mit Angst und Vorurteilen. Die Rückkehr des Wolfes kann zu Konflikten mit Nutztieren führen, aber mit einer guten Vorsorge können Nutztierherden vor dem Wolf geschützt werden. Bewährt haben sich der Einsatz von Herdenschutzhunden und Elektrozäunen. Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Wolf im NABU Hessen wirbt durch Aufklärung für mehr Toleranz und Verständnis für den Wolf. Sie ist Ansprechpartner für Nutztierhalter, Jäger und alle, die Fragen haben zur Rückkehr des zur Zeit größten in Deutschland lebenden Beutegreifers.

Der Wolf als Gesundheitspolizei

Der Wolf gilt als die Gesundheitspolizei in der hiesigen Tierwelt. Er jagt vornehmlich kranke und schwache Tiere. Dies sorgt für eine Stärkung der Beutetier-Population, was wiederum deren Bestand sichert. Auch der Wald profitiert von der Rückkehr des Wolfes, denn er regelt den Wildbestand und dadurch wird der Wildverbiss reduziert. Wolf und Jäger können gemeinsam für Wilddichten sorgen, die für die Forstwirtschaft verträglich sind. Der Wolf ist eine europaweit streng geschützte Tierart. Die Bejagung ist gesetzlich verboten. Illegale Abschüsse werden mit hohen Geld- und gegebenenfalls auch Haftstrafen geahndet.

Weitere Informationen über Wölfe in Hessen auf der Homepage NABU (Naturschutzbund Deutschland e. V.)

Vom 06. März bis 29. Mai 2022 zeigt die Kunststation Kleinsassen in Kooperation mit Gisela Krohn die Sonderausstellung Wald.Wolf.Wildnis.
Zu sehen sind unterschiedliche künstlerische Arbeiten verschiedener Künstler, die sich mit den Themen „Wald“ und „Wildtieren“ auseinandersetzen.


Objekt des Monats - Dezember 2021

Mopsfigur nach einem Modell der Fuldaer Fayencemanufaktur

1. Hälfte 19. Jahrhundert, Ton
Johann Dionys Reuß zugeschrieben
Inv. Nr.: IV Da 2021/1

Schlank und langschnäutzig und doch: ein Mops. Vor seiner Überzüchtung agiler Jagdhund, begleitete der edle Mops auch Fürstbischof Heinrich von Bibra bei diesem beliebten höfischen Zeitvertreib. So belegt es ein im Londoner Victoria & Albert Museum befindliches Gemälde des Fuldaer Hofmalers Johann Andreas Herrlein. Im 18. Jahrhundert erfreute sich die aus Asien stammende und dort ursprünglich als Kaiserhund geltende Rasse großer Beliebtheit beim europäischen Adel und wie so viele zunächst höfische Moden bald auch beim Bürgertum. So findet sich der Mops auch in Fulda nicht nur im Deckengemälde des Dalbergsaals in den Historischen Räumen des Stadtschlosses, sondern auch als Wappentier des einst hier bestehenden Mopsordens. Diese Bünde nahmen, anders als die Freimaurer, die sich ebenfalls gern mit Mops präsentierten, auch Frauen auf und erfreuten sich des Domino- und Kartenspiels. In Fulda hatte dieser Bestand bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Grund genug für Gästeführerin Marita Glaser, diesem Thema im 2021 erschienenen Buch „Fulda. Stadt und Land – unbekannt, interessant, amüsant“ ein eigenes Kapitel zu widmen – und dazu im Vonderau Museum auf die Suche zu gehen. Eine aus Gips gefertigte größere Mopsfigur aus der Hand des Töpfermeisters Johann Dionys Reuß, begleitet von einem Zettel mit der Aufschrift „Ich bin das Wappentier des Fuldaer Mops-Vereins“, fand sich sogleich im Depot und schaffte es so ins Buch. Sein nun hier ausgestellter kleiner Bruder scheint dessen Erscheinen abgewartet zu haben: Er fand sich zufällig in einer Kammer des Stadtschlosses wieder und stellte sich als von Ernst Kramer 1973 in einem Beitrag der Volkszeitung beschrieben heraus. Es handelt sich dabei um eine Ausformung in Ton aus einer Form, die Reuß nach Modellen der einstigen, von 1741-1760 bestehenden, fürstbischöflichen Fayencemanufaktur hergestellt hatte, die im Original leider nicht mehr erhalten sind.

Möchten Sie mehr über den Mops in Fulda und viele weitere spannende Themen erfahren, erhalten Sie das Buch „Fulda. Stadt und Land – unbekannt, interessant, amüsant“ zum Preis von 22,95 Euro im Museumsshop.


Objekt des Monats - November 2021

Oswald Pejas: Landschaft
Öl auf Hartfaser, Inv. Nr.: II C 547

Der am 19.11.1921 in Gungelshausen (Schwalm-Eder-Kreis) geborene Künstler Oswald Pejas kam bereits in seiner frühen Kindheit nach Fulda. Seine Faszination zum Malen entdeckte er zunächst durch sein familiäres Umfeld, entwickelte aber schon damals einen eigenen Stil.

Nach seiner Schulzeit folgte der Wehrdienst. Während der Jagdfliegerausbildung entstanden Zeichnungen von seinen unterschiedlichen Aufenthaltsorten. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit dem ebenfalls 1921 geborenen Joseph Beuys (auch Jagdflieger). Nach Kriegsende begann Pejas ein Studium an der Universität Frankfurt als Kunsterzieher. Schon damals finanzierte er sein Studium und seine Familie über seine Malerei (unter anderem auch: Restaurierungen der Deckengemälde im Apollo-Saal der Orangerie Fulda und der Fuldaer Stadtpfarrkirche).

1948 trat Pejas dem Fuldaer Künstlerbund bei. Zusammen mit seinem Künstlerfreund Karlfried Staubach organisierte er mehrere Ausstellungen in Fulda. Mit ihnen begannen die Anfänge der „JUKU Fulda“.

Oswald Pejas war fast 30 Jahre lang als Lehrer tätig, zunächst an der Freiherr-vom-Stein-Schule Fulda, später als Fachleiter für Kunst am Studienseminar Fulda. Außerdem folgte er einem fünfjährigen Lehrauftrag an der Deutschen Schule in Athen. Diese Zeit war ein großer Schritt in seiner künstlerischen Entwicklung. Neben mehreren Ausstellungen in Athen folgte nach seiner Rückkehr eine große Griechenland-Ausstellung im Stadtschloss Fulda. Nach seiner Pensionierung 1986 lebte er als freischaffender Künstler weiter in Fulda, bis er
schließlich am 14.4.2006 in Dietershan verstarb.

Der Künstler entwickelte schon früh einen eigenen, unverkennbaren Malstil. Dabei hatte er sich nie an den aktuellen Kunstströmungen orientiert. Er verband den Begriff „Kunst“ immer mit „Können“. Aus dieser Einstellung heraus „testete“ er vereinzelt sein „Können“ durch Arbeiten in unterschiedlichen Kunstrichtungen — von alter holländischer Malerei bis hin zu surrealistischen Motiven. Im Pejas-eigenen Gesamtwerk stechen jedoch zwei Stilrichtungen besonders hervor.

Einerseits malte er weiche, weite Landschaften, die nur durch einzelne Objekte im Vordergrund gegliedert sind, andererseits versuchte er auch diese Weite bewusst expressiv zu gestalten.

Am 19.11.2021 wäre Oswald Pejas 100 Jahre alt geworden.
Aus diesem Anlass wollen das Vonderau Museum und die Stadt Fulda den Künstler mit einer Ausstellung ehren, die in bisher nie gezeigter Breite das künstlerische Schaffen von frühester Jugend bis hin zu dem letzten, nicht vollendeten großformatigen Gemälde zeigt.
Corona-bedingt muss die Eröffnung der Ausstellung in das Jahr 2022 verschoben werden.


Objekt des Monats - Oktober 2021

Überseekoffer/Reisetruhe mit New Yorker Adresse jüdischer Emigranten
um 1910, Rohr, Flachs, Leder, vermessingtes Eisen, Kupfer, innen: Leinen; Hersteller: Mädler

Inv. Nr.: VM 2020/65  gespendet von Dr. Michael Imhof

Am 11. Dezember 321 erließ der römische Kaiser Konstantin auf Anfrage aus Köln ein Edikt (Gesetz). Es legte fest, dass Juden städtische Ämter in den Kurien Kölns, also den römischen Stadträten, bekleiden dürfen und sollen. Damit gilt dieses Dekret als der älteste Beleg für die Existenz jüdischer Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Das Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ würdigen in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen. Das Vonderau Museum beteiligt sich mit der Präsentation eines kürzlich erworbenen Koffers, gespendet von Dr. Michael Imhof, der vom dunkelsten Kapitel jüdischen Lebens in Deutschland, der Shoah, zeugt, aber auch von erfolgreichem Unternehmertum und ehrenamtlichem Engagement.

Bei dem geräumigen Koffer handelt es sich um ein verbreitetes Modell eines Überseekoffers oder einer Reisetruhe in Jugendstil-Design, vom Hersteller, der Leipziger Koffermanufaktur Moritz Mädler, selbst als „Welt-Bahnkoffer“ aus Rohrflachsplatte beworben und in verschiedenen Größen erhältlich.

Die Welt bereist hat der 2020 auf einem Flohmarkt in Tann/Rhön aufgetauchte Koffer zweifelsohne, laut Aufkleber aufgegeben in Hamburg war er adressiert an Dr. R. F. Goldschmidt c/o Fromm u. Sichel, 218 West 57th Street in New York.

Während über Herrn Goldschmidt selbst leider nichts Gesichertes bekannt ist, finden sich in Form von Nachrufen Informationen über Fromm & Sichel in den Archiven der New York Times. Vermutet wird lediglich ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Goldschmidt und Fromm. Alfred Fromm (1905-1998) stammte aus dem bayrischen Kitzingen und war Sohn einer Winzerfamilie aus Bingen am Rhein in vierter Generation. 1936 floh er vor den Nationalsozialisten und ermöglichte 37 Familienmitgliedern ebenfalls die Emigration in die USA, vermutlich war Herr Goldschmidt ein angeheirateter Verwandter. Dort gründete er Fromm & Sichel Inc. Gemeinsam mit Franz Sichel. Auch Sichel entstammte einer alten deutschen Winzer- und Weinhändlerfamilie in fünfter Generation, europaweit tätig mit Sitz in Mainz unter dem Namen Sichel & Co. Beide stiegen mit Fromm & Sichel unter die führenden Weinhändler der USA und Experten für kalifornische Weine auf. Überzeugt von deren hoher Qualität übernahmen sie in den 1950ern selbst Weinberge in Saragota. Darüber hinaus gründete Fromm nicht weniger als zwei Museen, das Weinmuseum in San Francisco sowie das Museum der dortigen jüdischen Gemeinde, und bekleidete zahlreiche Ehrenämter. Seine gründerischen Tätigkeiten setzte er gemeinsam mit seiner Frau Hanna mit einem nach ihm benannten Institut für lebenslanges Lernen fort und richtete ein Schwesterprogramm, das Fromm Institute, an der Hebräischen Universität in Jerusalem ein.

So unverhofft wie dieser geschichtsträchtige Koffer in Tann/Rhön auftauchte, finden sich vielleicht auch bei Ihnen noch Stücke mit jüdischem Bezug. Sollten Sie ein solches bei sich oder anderswo entdecken, melden Sie sich gerne beim Vonderau Museum unter Tel. 0661 102 3220 oder per E-Mail an judith.mader(at)fulda.de.

Weitere Informationen zum Jubiläum „1700 Jahre jüdischen Leben in Deutschland“ finden Sie im Internet unter 2021jlid.de


Objekt des Monats - September 2021

Pulttisch und zwei Sessel aus dem alten Plenarsaal des Hessischen Landtags (1962-2004)

Inv. Nr.: VM 2021/19.1-3   Schenkung Edelgard Herr

Aus dem Nachlass des im Januar 2021 verstorbenen Dr. Norbert Herr sind ein Pulttisch sowie zwei Sessel aus dem von 1962-2004 bestehenden Plenarsaal des Hessischen Landtags in Wiesbaden erhalten. Nachdem das Wiesbadener Stadtschloss 1946 dessen Sitz geworden war, diente zunächst der Musiksaal als Plenarsaal des Parlaments, wurde jedoch bald zu klein. Anstelle der herzoglichen Reithalle wurde in den Jahren 1960-62 ein neues Plenargebäude errichtet. Dem damaligen Zeitgeist entsprechend stand die Funktionalität und weniger die Ästhetik des Gebäudes im Vordergrund. Diesem Anspruch war auch das eher schlichte Mobiliar verpflichtet.

Nachdem er zuvor Jahrzehnte Mitglied des Fuldaer Kreistages und kurzzeitig auch Mitglied des Bundestages gewesen war, verbrachte an einem solchen Tisch der Fuldaer Unionspolitiker Dr. Norbert Herr seit dem 5.4.1995 viele Jahre seiner Zeit als Mitglied des Hessischen Landtags. Diesem gehörte er bis 2013, davon neun Jahre als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion, an und gestaltete so über mehrere Amtsperioden hinweg – stets als Stimme und Sprachrohr Fuldas – maßgeblich die Politik des Landes Hessen und somit der gesamtdeutschen Demokratie mit.

Herr, geb. 1944, absolvierte sein Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Fulda, studierte anschließend Geschichte, Politik und Geografie in Frankfurt am Main, promovierte
und war später als Oberstudienrat tätig. Seine politische Karriere begann im Jahr 1971 mit dem Eintritt in die Junge Union.

Am 16.12.2004 saß Herr letztmalig an seinem Platz im Saal des alten Plenargebäudes. Als technisch veraltet und nicht mehr zeitgemäß wurde es Ende 2004/Anfang 2005 abgerissen und das jetzige Plenargebäude mit dem neuen, 2008 eingeweihten Plenarsaal erbaut.


Objekt des Monats - August 2021

Upcycling als Notbehelf – Vom Mehlsack zur Tagesdecke

Decke aus Mehlsäcken und Garn der Firma Mehler
1940er Jahre

Mit dem Begriff Upcycling wird heute die Wiederverwertung von alten Möbelstücken oder scheinbar nutzlosen Gegenständen bezeichnet. Dies dient der materiellen Aufwertung und nachhaltigen Nutzung von bereits vorhandenen Ressourcen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden die Menschen wegen der Kriegszerstörungen und Not erfinderisch. Sie müssen improvisieren und fertigen Gebrauchsgegenstände aus vorhandenen Materialien, sogenannte Notbehelfe.

Die Aufnahme (siehe Foto) zeigt Johanna Kaesler-Jestädt aus der Gemeinde Künzell (links) 1948 mit ihren beiden Geschwistern, die Kleider aus Fallschirmseide tragen. Den Stoff aus der Fuldaer Textilfabrik Mehler hat ihre Mutter, eine gelernte Schneiderin, nach Kriegsende im Tauschhandel erworben und umgenäht. Die Familie besitzt eine Bäckerei im Harbacher Weg in Künzell.

Im Haus der Familie lebt auch Tante Luise, die während des Zweiten Weltkrieges bei der Firma Mehler dienstverpflichtet ist. In dieser Zeit näht sie aus alten Mehlsäcken der Bäckerei und Garn der Firma Mehler eine Decke, die sie mit Zwiebelschalen einfärbt. Bis zur Rückkehr ihres Mannes aus russischer Kriegsgefangenschaft Ende der 1940er Jahre wird die Decke als Überwurf auf dem Chaiselongue der Familie verwendet.

Die Objekte sind ein Neuzugang für die kultur- und stadtgeschichtliche Sammlung des Vonderau Museums und wurden im Juli 2020 als Schenkung im Rahmen des Dokumentationsprojekts „Fulda erzählt“ übergeben. Dabei berichten Fuldaerinnen und Fuldaer von ihren persönlichen Erinnerungen an historische Ereignisse und Themen der Stadt und Region vom Zweiten Weltkrieg bis heute.

Auch die Industrie stellt in der Nachkriegszeit nützliche Güter des täglichen Bedarfs her. Die Fuldaer Emaillierwerke produzieren aus Kriegsprodukten wie Wehrmachtshelmen oder Gasmaskendosen Küchengeräte und Haushaltswaren etwa Kannen oder Küchensiebe für die zivile Nutzung. Letztere sind gerade in der Jubiläumsausstellung „Als die Demokratie zurückkam – 75 Jahre Verfassung in Hessen und Fulda“ noch bis 24. Oktober 2021 im Vonderau Museum zu sehen.


Objekt des Monats - Juli 2021

Schmuck in der mittleren Bronzezeit

Doppelradnadel
Fundort: Fulda – Haimbach, Haimberg
Inv. Nr. I.B.b.30

Brillennadel
Fundort: Neuhof – Giesel, Flur „Buchwald“
Inv. Nr. I.D.l.8

Armspirale
Fundort: ?
Inv. Nr. I.D.n.II.1a

Fingerring
Fundort: Neuhof – Giesel, Flur „Buchwald“
Inv. Nr. I.D.l.6

Geripptes Armband
Fundort: Neuhof – Giesel, Flur „Buchwald“
Inv. Nr. I.D.l.4

Bei den hier ausgestellten Schmuckstücken handelt es sich um Einzelfunde aus dem Landkreis Fulda, die alle in die sogenannte Mittlere Bronzezeit, oder auch Hügelgräberbronzezeit, datieren, welche in Mitteleuropa ca. 1.600-1.200 v. Chr. einzuordnen ist. Gefunden wurden sie entweder bei Steinbrucharbeiten (Doppelradnadel, I.B.b.30) oder beim Wegebau (Brillennadel, I.D.l.8; Fingerring, I.D.l.6; Geripptes Armband, I.D.l.4). Der Fundort und die Fundumstände der Armspirale (I.D.n.II.1a) sind unklar. Alle hier gezeigten Bronzefunde wurden zwischen 1920 und 1930 dem Museum übergeben.

Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Dieser neue Werkstoff war eine sehr begehrte Ressource, die verarbeitet, goldglänzend poliert und öffentlich zur Schau gestellt, Symbol für Reichtum und damit Einfluss war. Bronzeschmuck war, neben Waffenausrüstungen bei Männern, die häufigste Grabbeigabe. Die Funde sind sogar so vielfältig, dass Archäologen in der Lage sind, regionale Varianten der Tragweisen festzustellen. Ein Beispiel dafür sind die beiden ausgestellten Nadeln:

Die große Doppelradnadel mit dem mit kleinen Strichen verzierten Kopfteil gehört zum sogenannten Typ „Unterbimbach“, während die in zwei Teile gebrochene Brillennadel hingegen den in der Mittleren Bronzezeit im Gebiet „Großenlüder“ verbreiteten Gewandnadeln gleicht. Wie es ihr Name schon verrät, war die Funktion einer solchen Nadel, die Kleidung ihres Trägers meist in der Schulterpartie zusammenzuhalten. Es war somit notwendig, sie entsprechend groß zu entwerfen, was wiederum geeignet für auffällige und aufwendige Verzierungen war.

Auch Bronzeringe waren in den unterschiedlichsten Arten und Größen verbreitet, wobei Frauen oft gleich mehrere an Hals, Fingern, Fußknöcheln, Ober- und Unterarmen trugen. In den Gräbern männlicher Verstorbener findet man hingegen eher wenige, signifikante Ringe. Das hier vorliegende breite, gerippte Armband lässt sich dem Typ „Unterbimbach“ zuordnen und wurde aufgrund seiner Form vermutlich an einem Handgelenk getragen. Keinem speziellen Typ zuordenbar sind die Armspirale und der kleine Fingerring: Die Armspirale findet man in gleicher schlichter Form in vielen Gräbern der Mittelbronzezeit und ist damit keine regionalspezifische Art. Der Fingerring hingegen ist, vermutlich auch durch seine Größe, ein selteneres Objekt.


Objekt des Monats - Juni 2021

Das Rotkehlchen - Vogel des Jahres 2021

Das Rotkehlchen hat im Wahlkampf des NABU (Naturschutzbund Deutschland) mit dem Slogan „Mehr Gartenvielfalt“ für sich und vogelfreundliche Gärten geworben. Als einer unserer häufigsten Singvögel ist das Rotkehlchen als beliebter Sympathieträger zum Vogel des Jahres 2021 gewählt worden.

Aussehen
Das Rotkehlchen (Erithacus rubecula), das zur Familie der Drosselvögel (Turdidae) gehört, ist an seiner orangefarbenen Brust leicht zu erkennen. Der Bauch ist hell, Schwanz, Hinterkopf und Rücken sind braun gefärbt. Männchen und Weibchen sind nicht zu unterscheiden, nur das Alter: Jungen Rotkehlchen fehlt die orange Färbung, ihre Brust ist braun geschuppt.

Lebensraum
Der zarte und doch stimmgewaltige Sympathieträger kann ganzjährig in Wäldern, Heckenlandschaften, Parks und Gärten beobachtet werden.

Verhalten
Wenn man im Garten Beete umgräbt, kommt das Rotkehlchen oft erstaunlich nah, um in der aufgewühlten Erde nach Fressbarem zu suchen. Außerhalb von Gärten folgt es auch größeren Säugern wie Wildschweinen, um auch hier Nahrung aus der aufgeworfenen Erde zu picken.

Nahrung
Rotkehlchen ernähren sich von Insekten und deren Larven, insbesondere Käfer, Zweiflügler, Schmetterlingsraupen, Ameisen, Blattläuse und Spinnen, die sie hüpfend am Boden jagen. Im Spätsommer und Herbst fressen sie auch Beeren und Früchte von Schneeball, Pfaffenhütchen, Hartriegel, Faulbaum, Efeu und anderen Sträuchern.

Fortpflanzung
Die Brutzeit in Bodennestern oder niedrig hängenden Halbhöhlen-Nistkästen beginnt Anfang April. Das Gelege umfasst drei bis sieben gelbliche Eier mit rotbraunen Punkten und Linien. Nach 12 bis 15 Tagen schlüpfen die Jungvögel. Sie verlassen das Nest nach 13 bis 15 Tagen.

Bestand
In Deutschland leben 3,4 bis 4,3 Millionen Brutpaare. Ihr Bestand ist derzeit nicht gefährdet. Rotkehlchen sind in Deutschland Standvogel und auch Teilzieher. Einige Vögel bleiben das gesamte Jahr über in unseren Breiten, andere ziehen kurze Strecken in wärmere Gegenden.


Objekt des Monats - Mai 2021

Reitersporen

Reitersporn (Stachelsporn) (Foto links)
11.–12. Jahrhundert
Eisen
Gewicht: 35 g
Finder: Stefan Bertram
Inv. Nr. I 2020/20

Reitersporn (Radsporn [?]) (Foto rechts)
13.–15. Jahrhundert
Bronze mit Eisennieten
Gewicht: 23 g
Finder: Raphael Kückmann
Inv. Nr. I 2020/8


Bei diesen Funden handelt es sich um Lesefunde aus dem Jahr 2020 aus der Rhön. In der modernen Reiterei wird das Pferd hauptsächlich über eine Verlagerung des Gewichts, Schenkeldruck und Zügelführung gelenkt. In früheren Zeiten dagegen wurden bereits dafür die Sporen eingesetzt und zusätzlich auch scharfe Gebisse. Außerdem wurden die Sporen natürlich benötigt, um das Tier anzutreiben, beispielsweise bei einem Angriff im Kampf oder bei einem Turnier. Aus den Stachelsporen entwickelten sich schließlich die Radsporen, die im Laufe des 14. Jahrhunderts als gängige Sporenform verwendet wurden. In der Regel wurden Sporen aus Eisen gefertigt, bronzene Sporen sind deutlich seltener.

Inv. Nr. I 2020/20
Dieser Eisensporn gehört zu den sogenannten Stachelsporen, weist eine doppelpyramidale Dornspitze mit einer kurzen Dornstange auf und lässt sich aufgrund dieser Merkmale relativ genau datieren. Sporen dieses Typs haben einen zeitlichen Schwerpunkt im 11. und 12. Jahrhundert, kommen aber vom 10. Jahrhundert bis ins 13. Jahrhundert vor. Die beiden Bügelenden, die für eine feinere chronologische Einordnung hilfreich sein könnten, sind leider nicht erhalten. An den Bügelenden konnte der Sporn mit Bändern am Fuß befestigt werden.

Inv. Nr. I 2020/8
Bei diesem Bronzesporn ist lediglich eines der Bügelenden mit dem entsprechenden Bügel erhalten. Aufgrund von Vergleichsfunden ist davon auszugehen, dass es sich ursprünglich um einen sogenannten Radsporn gehandelt haben könnte. Da aber dieses Rad nicht erhalten ist, kann der Fund nur grob zeitlich eingeordnet werden. Mit den beiden floral gestalteten Anhängern, einer sogenannten Riemenschnalle und einer Riemenzwinge, wurde der Sporn mit Bändern am Fußrücken und der Fußsohle befestigt. Die Verwendung von Bronze sowie die filigrane Form und die aufwendige Verzierung weisen sicherlich auf einen gesellschaftlich hoch gestellten Reiter hin.


Objekt des Monats - April 2021

Drehleierspieler aus der „Fuldaer Hofkapelle“

Fuldaer Porzellan, weiß glasiert, gold gehöht, bemalt,
nach 1780, Heinrichsmarke
Modell und Ausformung von Georg Ludwig Bartholomé
Inv. Nr.: VM 2020/55


Die 2020 angekaufte Fuldaer Porzellanfigur des Drehleierspielers wird ab Mai die in den Historischen Räumen im Stadtschloss ausgestellte Hofkapelle um einen weiteren, bisher unbekannten Musiker ergänzen. Die Serie der Musikanten zählt mit zu den letzten Figuren der Hochfürstlich Fuldischen Porzellainmanufaktur, die 1764 vom fortschrittlichen Fürstbischof Heinrich VIII. von Bibra gegründet wurde und bis zu ihrer Schließung im Jahr 1789 Porzellan von hoher Qualität fertigte.

Nach dem Tod des Modelleurs Johann Georg Schumann 1780 übernahm der bereits seit zehn Jahren als Bossierer* in der Manufaktur beschäftigte Georg Ludwig Bartholomé auch dessen Tätigkeit und schuf nach dem Vorbild von Figuren der Frankenthaler Manufaktur die Serie Cris de Paris („Marktschreier“) mit Winzer-, Händler- und Bauernpaar (ebenfalls in den Historischen Räumen zu sehen). Die Formen des Winzers und Händlers wurden weiterverwendet, um alle Musiker der Fuldaer Hofkapelle aus dem Grundmodell eines Musikanten mit breitkrempigem Hut auf einem Rocaillesockel zu gestalten.

Wie der Händler steht der Drehleierspieler direkt vor einem Baumstumpf und trägt ein nach vorn geknotetes Halstuch und dessen kurzärmelige Jacke, die hier allerdings geöffnet ist und den Blick auf eine über dem Bauch aufgeknöpfte Weste freigibt. Mit der rechten Hand bedient er die Kurbel der Drehleier, eines seit dem Mittelalter bekannten mechanisierten Streichinstruments, bei dem die Saiten von einem eingebauten Rad angestrichen werden. Mit der anderen Hand betätigt er die Tasten, um die Tonhöhe zu variieren.

Während aufgrund der Corona-Pandemie der Besuch der Historischen Räume derzeit leider nicht möglich ist, bietet Ihnen der neue virtuelle Rundgang einen Blick auf die dort ausgestellten Porzellane. Bereichert wird die Porzellanpräsentation, die auch die umfangreiche Sammlung Prof. Nieth umfasst, durch die 2019 als Dauerleihgabe an die Stadt Fulda gelangte und nun in einer eigenen Vitrine ausgestellte Sammlung Prof. Hertel, bestehend aus zwei Schokoladentassen und 17 Figuren, darunter die berühmtesten Figurengruppen der Fuldaer Manufaktur.

* Der Bossierer fügte Figuren oder Rohporzellangegenstände aus vorgeformten oder frei von ihm zu formenden Einzelteilen zusammen.


Objekt des Monats - März 2021

Buttermaschine/Butterschleuder

vor 1939, Holz und Eisen
Inv. Nr.: VI A 2020/38


Die Herstellung von Butter hat lange Tradition, wobei es über die Jahrtausende verschiedene Herstellungsprozesse gab, die sich stets ähnelten: Rohmilch wurde in Magermilch und Rahm getrennt, woraufhin der Rahm in ein Butterfass bzw. eine Buttermaschine gegeben wurde. Anschließend wurden die hölzernen Rührflügel in die Maschine eingehängt, die gedreht werden konnten. Je nach Butterschleuder musste der Rahm über einen längeren Zeitraum geschlagen werden, bevor die sich abgetrennte Buttermilch abgegossen wurde. Bis diese restlos aus der Butter entfernt war, musste das Endprodukt noch mehrmals gewaschen und dann die Flüssigkeit ausgeschlagen werden, damit sie nicht ranzig wurde. Die fertige Butter wurde schließlich mit hölzernen Modeln geformt.

Die gezeigte Buttermaschine wurde laut dem Etikett auf dem Deckel von der Firma Julius Karpf vertrieben. Hierbei handelte es sich um ein Fuldaer Geschäft, welches sich vor allem auf den Verkauf von Landmaschinen, aber auch Haushaltsgeräten und ähnlichem spezialisiert hatte.

Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, betrieb der 1904 geborene Julius Karpf die Firma, die bereits von seinem Großvater gegründet worden war. Das Logo in Form eines Karpfens innerhalb eines Davidsterns könnte von seinem Vater Joseph gewählt worden sein, der hiermit seinen Namen mit dem Geburtsnamen seiner Frau Karolina „Lina“ Stern und ihrer gemeinsamen jüdischen Identität verband.

Die Familie, die sich ab 1933 mit einer Brandmarkung als „Wucherer“ und „Rassenschänder“ konfrontiert sah, entschied sich bereits relativ früh für eine Auswanderung in die Niederlande. Schon ab diesem Jahr ließen sich die Karpfs nach und nach im niederländischen Zwolle nieder. Als die Niederlande unter deutsche Herrschaft fielen, wurde die Familie Karpf wie die anderen 800 Juden in der Provinz Nordbrabant im April 1943 aufgefordert, sich in das Lager Vught zu begeben. Nachdem sie von dort aus in das polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork verschleppt worden waren, sendete man sie in das Vernichtungslager Sobibor, wo die gesamte Familie im Mai 1943 ermordet wurde.