1896: Ein unspektakuläres, aber doch spannendes Jahr
FULDA, 24. September 2021: Er war ein Projekt, das zunächst durchaus auf Skepsis stieß: ein unspektakuläres Jahr, das sonst in der Geschichtsschreibung keine besonderen Spuren hinterlassen hat, allein durch die „Fuldaer Brille“ zu betrachten? Welchen Erkenntnisgewinn kann das bringen? Um es vorwegzunehmen: Das Projekt ist ohne Einschränkungen geglückt, der Fuldaer Geschichtsverein hat sich mit diesem ganz speziellen Almanach des Jahres 1896 selbst ein ebenso unterhaltsames wie hintergründiges Geburtstagsgeschenk zu seinem 125-jährigen Bestehen gemacht.
Bei der Präsentation des Buchs „1896 – Das Gründungsjahr von Fulda aus betrachtet“, das als 76. Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins in Parzellers Buchverlag erschienen ist, wurde auch der Ideengeber, Motor und Autor des Projekts deutlich: Es ist Thomas Martin, seit 25 Jahren Schriftleiter der „Fuldaer Geschichtsblätter“ und profunder Kenner der Fuldaer und fuldischen Geschichte. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Fuldas Ex-Oberbürgermeister Gerhard Möller, lobte das Werk als einen Almanach, „in den man hineinschnuppern und sich schnell festlesen kann“.
Dem Autor ist es gelungen, aus dem vordergründig unscheinbaren Jahr der Kaiserzeit eine lokalhistorische spannende, detailreiche Fundgrube zu machen, in der man jede Menge Entdeckungen machen kann. Dabei werden die Ereignisse des Jahres 1896 nicht nur aufgelistet, sondern es geschieht eine Einordnung in übergeordnete und in stadtgeschichtliche Zusammenhänge. Die Quellen des Autors – es sind im Wesentlichen die jeweiligen Jahresbände der „Fuldaer Zeitung“ und des „Fuldaer Kreisblattes“ – werden nicht nur zitiert, sondern auch geschickt gegenübergestellt, die jeweilige Leserschaft mit ihrer weltanschaulichen und politischen Ausrichtung wird durch den Blickwinkel der Berichterstattung und den Zungenschlag der Kommentierung deutlich. An vielen Stellen eingestreute und farblich hervorgehobene Elemente mit Kurzbiografien handelnder Personen, Begriffsklärungen oder historischer Erläuterungen stören den Lesefluss keineswegs, sondern erleichtern die Einordnung und das Verständnis der Zusammenhänge enorm. Ebenso tragen die vielen zeitgenössischen Abbildungen, die aus den Beständen des Stadtarchivs stammen, dazu bei, dass man das Buch nahezu an jeder Stelle aufschlagen und genießen kann.
Autor Thomas Martin sprach bei der Präsentation, die am Tag nach dem feierlichen Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Geschichtsvereins stattfand, mit Blick auf das untersuchte Gründungsjahr des Vereins von einem Jahr, in dem sich der „Umbruch der Stadt“ wesentlich beschleunigt habe. Der damalige Oberbürgermeister Dr. Georg Antoni, damals noch frisch im Amt, bracht viele Dinge ins Rollen, die Fulda einen Modernisierungsschub brachten und eine dynamische Entwicklung ermöglichten. Gleichzeitig gehörte Antoni zu den Gründungsvätern des Geschichtsvereins. Zwei Fragen, die 1896 die Fuldaer Gemüter bewegten, griff Martin exemplarisch heraus: die Saalbaufrage und die Geradelegung der Bahnhofstraße. In beiden Fällen fielen in diesem Jahr Entscheidungen, die noch heute für Fulda wichtig sind: Der „Saalbau“ wurde in Form des Festsaal-Anbaus an die Orangerie verwirklicht, und die Bahnhofstraße verläuft heute kerzengerade und städtebaulich prägend vom Bahnhofsgebäude zum Universitätsplatz. Auch die Einweihung der neugotischen Christuskirche, die dem gerade erst entstehenden Bahnhofsviertel einen Fixpunkt gab, fiel in das Jahr 1896, als das Bevölkerungswachstum Fuldas einen ersten Höhepunkt erreichte.
Martins herzlicher Dank galt seinen Vorstandskollegen Gerhard Möller und Dr. Thomas Heiler für die engagierte Unterstützung des Jubiläumsprojekts sowie Rainer Klitsch (Parzellers Buchverlag) für die kompetente verlegerische Begleitung. Klitsch selbst betonte die enge Verbundenheit des Verlags zum Fuldaer Geschichtsvereins, die bis in die Gründungstage zurückreiche und bis heute anhalte: „Als Verlag sind wir stolz darauf, auch die 76. Veröffentlichung des Geschichtsvereins mit auf die Welt gebracht zu haben.“
Das Buch „1896 – Das Gründungsjahr von Fulda aus betrachtet“ (Parzellers Buchverlag) kostet – passend zum Jubiläum – 12,50 Euro und ist im örtlichen Buchhandel erhältlich.